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György Dalos

Gorbatschow. Mensch und Macht. Eine Biographie. Deutsche Bearbeitung von Elsbeth Zylla

München: C. H. Beck 2011; 288 S.; 19,95 €; ISBN 978-3-406-61340-1
Michail Gorbatschow ist als Figur der Zeitgeschichte gerade für uns Deutsche immer noch von großem Interesse. Was hat den letzten Generalsekretär der KPdSU in den ausgehenden 80er-Jahren bewogen, nicht nur im Inneren der Sowjetunion für eine Phase demokratischer Offenheit zu sorgen („Glasnost“, „Perestroika“), sondern auch die diktatorischen Regime des Ostblocks nicht länger zu unterstützen? War Michail Gorbatschow eher ein „Getriebener“ oder ein „Treibender“ der Ereignisse? Wer in der Biografie von György Dalos hierzu Neues sucht, wird wohl eher enttäuscht sein. Gerade die hierfür sicherlich relevanteren Jahre der politischen Bewusstseinsbildung Gorbatschows werden mit knapp 30 Seiten vergleichsweise kurz abgehandelt. Im Zentrum des Buches stehen die sechs Jahre der Herrschaft Gorbatschows, über die es inhaltlich allerdings auch nicht viel Neues zu lesen gibt. Dalos beschränkt sich im Wesentlichen auf Gorbatschows eigene autobiografische Darstellungen und die noch vergleichsweise wenigen tiefer gehenden Kommentare von Zeitgenossen. Das Bild, das sich hieraus ergibt, ist das eines von den Idealen des Kommunismus überzeugten Reformers, der die Probleme des real existierenden Sowjetkommunismus klar erkannte und mit genügend Tatendrang ausgestattet war, diese energisch anzugehen. Gorbatschow, so die wenig neue Quintessenz von Dalos, wollte die Sowjetunion und ihr System im Wesentlichen retten und reformieren. Sein Problem war freilich, dass niemand wusste, wie ein kommunistisches System effizienter, erfolgreicher gestaltet werden könnte, ohne es in seinen Grundfesten zu erschüttern. Das Ergebnis ist bekannt: der sowohl territoriale als auch ideologische Zusammenbruch der UdSSR. Gemessen an seinen – vermutlichen – eigenen Zielen ist Gorbatschow also zweifellos gescheitert. Dem steht seine Rolle als Befreier der mittel- und osteuropäischen Völker gegenüber. Gorbatschow ist also ein tragischer „Held des Rückzugs“ (275), wie er in klassisch-antiken Tragödien nicht besser hätte erfunden werden können.
Sven Leunig (SVL)
Dr., Politologe, Akademischer Rat, Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena (www.svenleunig.de).
Rubrizierung: 2.12.62 Empfohlene Zitierweise: Sven Leunig, Rezension zu: György Dalos: Gorbatschow. München: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/33547-gorbatschow_40151, veröffentlicht am 20.04.2011. Buch-Nr.: 40151 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken