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Gertrud Brücher

Gewaltspiralen. Zur Theorie der Eskalation

Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2011; 341 S.; 49,95 €; ISBN 978-3-531-18251-3
Die Eskalationsproblematik wird hier nicht als praktisches, sondern als ein „ungelöstes Problem der Theorie“ (8) angesehen, das im Rückgriff auf Luhmanns Begriff der Autopoiesis entfaltet und einer Lösung entgegengeführt wird. Dazu werden grundlegende Erwägungen in apodiktischem Stil vorgetragen, die das Problem der Gewaltspirale in einen sehr umfassenden Horizont stellen und dazu insbesondere auf Erwägungen von Georg Simmel, Walter Benjamin und Carl von Clausewitz zurückgreifen. Brücher behauptet: „Gewalt eskaliert, wenn der ritualisierte Konfliktaustrag versagt“ (94). Und diese Ritualisierung umfasse nicht nur die Formen der Gewaltanwendung, sondern auch die moralischen und rechtlichen Ordnungskonzepte, also beispielsweise die Menschenrechte. Gegenwärtig sei allerdings eine Erosion dieser Ordnung zu beobachten: Nicht nur die Moral und das Recht, sondern auch die Wahl der Mittel und die Angabe von Zwecken seien kontingent, was besage, dass man jedes Mittel zu jedem Zweck einsetzen könne, weil es keine verbindlichen oder allgemein akzeptablen Vorgaben mehr gebe. So sei strittig, wer in einem aktuellen Konflikt Täter und Opfer sei, denn es gebe keine anerkannte Plausibilität und auch als Beobachter sei man bei noch laufenden Konflikten immer involviert. – Um gegen solche Gewaltdynamik Frieden zu befördern, sei individuelle Kreativität unabdingbar. Gegen den „Mechanismus der selbsterfüllenden Prophezeiung“ (275) werde hier ein Sprung aus der Eskalationsdynamik gewagt: „Interdependenzunterbrechung“ (285) lautet das Schlüsselwort. Und weil es sich um einen kreativen Akt handele, der nicht vorab begrifflich festgelegt werden könne, spricht die Autorin am Ende ihrer Ausführungen metaphorisch von den „Teufelskreisen“, die durchbrochen und durch „Engelskreise“ ersetzt werden mögen (311 f.).
Volker Stümke (VS)
Dr., evangelischer Theologe, Priv.-Doz. für evangelische Sozialethik, Führungsakademie der Bundeswehr Hamburg.
Rubrizierung: 5.1 | 5.42 | 5.44 | 5.33 Empfohlene Zitierweise: Volker Stümke, Rezension zu: Gertrud Brücher: Gewaltspiralen. Wiesbaden: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34296-gewaltspiralen_41164, veröffentlicht am 22.12.2011. Buch-Nr.: 41164 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken