
Gewaltfreiheit und Gewalt in den Religionen. Politische und theologische Herausforderungen
Das ambivalente Verhältnis der Religionen zur Gewalt ist in den vergangenen Jahren häufig analysiert worden. Und so finden sich in den hier gesammelten Vorträgen, die aus Ringvorlesungen an den Universitäten Hamburg und Amsterdam aus dem Jahren 2014 und 2015 hervorgegangen sind, wichtige Stimmen aus den politikwissenschaftlichen und theologischen Forschungen (wie Andreas Hasenclever, Rainer Tetzlaff, Markus A. Weingardt, Rolf Schieder, Wolfgang Palaver, Marco Hofheinz, Viola Raheb, Fernando Enns), die ihre bekannten Positionen pointiert darlegen. Diese Beiträge bieten einen sehr guten Einstieg in die Fragestellungen. Darüber hinaus kommen auch Stimmen sowohl aus der politischen Praxis wie aus unterschiedlichen Religionen zur Sprache – ein interessanter und weiterführender Ansatz. Jedoch bieten die beiden Podiumsdiskussionen weitgehend die Wiedergabe des politischen Konsenses in korrekten und glatten Formulierungen. Es folgen Doppelreferate über Martin Luther King, Gandhi, die Orthodoxie, den Buddhismus, das Juden‑ und das Christentum, die leider ebenfalls nur einführenden Charakter haben. Einen kämpferischen Ton schlägt Katajun Amirpur in ihrem Aufsatz an, der positiv herausragt. Sie kritisiert die Ignoranz der Islamkritiker und zeigt, dass sich selbst konservative Korangelehrte eindeutig ablehnend gegenüber dem Terrorismus positioniert haben. Die Stärke des Briefes von 120 Korangelehrten bestehe darin, dass hier kein „Suren‑Ping‑Pong“ (319) gespielt worden sei, sondern vielmehr hermeneutische Einsichten über den Umgang mit diesem heiligen Text formuliert worden seien. Gegen den Koranfundamentalismus sowohl der Kritiker als auch der islamistischen Terroristen werde eine differenzierte und methodisch ausgewiesene Koranexegese geboten. Dass es aus der liberal‑modernistischen Sicht der Autorin immer noch Kritikpunkte an diesem Brief gibt, ändere nichts daran, dass er ein wissenschaftliches Niveau vorgebe, das sie bei den genannten Propagandisten vermisse.