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Franziska Martinsen / Oliver Flügel-Martinsen (Hrsg.)

Gewaltbefragungen. Beiträge zur Theorie von Politik und Gewalt

Bielefeld: transcript Verlag 2014 (Edition Moderne Postmoderne); 230 S.; 26,99 €; ISBN 978-3-8376-2541-7
Ist eine von Ambivalenzen unbelastete Rede über das Verhältnis von Politik und Gewalt möglich? Die Autorinnen und Autoren des Sammelbandes bestreiten dies entschieden. In einem kurzen Aufriss bezeichnen die Herausgeber – unter Berufung auf Benjamin, Derrida und Agamben – die übliche Entgegensetzung von Politik und Gewalt als blinden Fleck politischen Denkens. Sie führen zwei Gründe an: Zum einen werde der Umstand verdrängt, dass auch in politisch legitimem Recht Gewalt verkörpert sei, zum anderen zeigten sich immanente Grenzen der Legitimierbarkeit von Gewalt ebenso an den Praktiken sozialer Bewegungen gegenüber etablierten Herrschaftssystemen. Von dieser Problemstellung ausgehend werden in den Beiträgen dieses Sammelbandes sowohl an ideengeschichtlichen Positionen als auch mit Blick auf aktuelle politiktheoretische Ansätze spezifische Ambivalenzverhältnisse von Politik und Gewalt herausgestellt. Diskutiert werden Kommunikationen über Gewalt; dies teils am Beispiel öffentlicher Rechtfertigung von Kriegsteilnahmen (Anna Geis) oder der Semantik von Feigheit versus Sicherheit im Kontext internationaler Beziehungen (Andreas Vasilache), teils an der Bedeutung, die Barbaren in Zivilisationstheorien zugesprochen wird (Oliver Eberl) und an Implikationen einer quantifizierenden Darstellung von Menschenrechtsverletzungen (Detlef Sack / Julia‑Nadine Wirsbinna). Eine zweite Gruppe von Beiträgen ist – stärker theorieorientiert – konzeptionellen Aspekten der Abgrenzung gewidmet: bei Hannah Arendt im Verhältnis von dramatisierender Gewalt gegenüber Macht (Katrin Meyer), bei Marx in der Relation von Staat und Gewalt (Francesca Raimondi), bei Habermas die Beziehung zwischen normativen Lernprozessen und struktureller Gewalt (Thore Prien). Sehr anregend sind schließlich die Beiträge, die sich im engeren Sinne mit begrifflichen Fragen auseinandersetzen. Dazu zählen einerseits Überlegungen zu einem Recht ohne Rechtszwang (Daniel Loick) und über Formen symbolischer Gewalt im Medium der Sprache (Hannes Kuch), andererseits werden verbreitete Definitionen problematisiert wie die Entgegensetzung von Macht und Gewalt (David Strecker) oder die Gleichsetzung zivilen Ungehorsams mit symbolischem Protest (Robin Celikates). Der Sammelband ist aus einer 2011 an der Universität Hannover durchgeführten Tagung hervorgegangen.
Thomas Mirbach (MIR)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.425.332.22.224.43 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Franziska Martinsen / Oliver Flügel-Martinsen (Hrsg.): Gewaltbefragungen. Bielefeld: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37826-gewaltbefragungen_45364, veröffentlicht am 27.11.2014. Buch-Nr.: 45364 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken