Gewalt als Gottesdienst. Religionskriege im Zeitalter der Globalisierung
Der Religionswissenschaftler Kippenberg möchte mit seiner Analyse des Themas Religion und Gewalt ein neues Forschungsparadigma begründen. Die Prämisse der prinzipiellen Gewaltlosigkeit von Religion steht dabei religiösen Traditionen der Rechtfertigung von Gewalt gegenüber. Dieses Spannungsfeld beleuchtet der Autor anhand von acht in den Medien präsenten Fällen. In diesem Zusammenhang kritisiert er die Medien dafür, dass sie die religiöse Motivation kriegerischer Gewaltakte umschreiben oder herunterspielen würden. Kippenberg erörtert zunächst die Entwicklung der kriegerischen Gesinnungsethik in Afghanistan, die zur Entstehung des Terror-Netzwerkes Al Kaida führte, um dann den von der Bush-Administration nach dem 11. September ausgerufenen Kampf gegen den Terror zu analysieren. In Bezug auf die Krisenregion Naher Osten verfährt er ähnlich. Hier werden sowohl die komplizierte Gemengelage im Libanon, die israelische Siedlerbewegung als auch die palästinensische Intifada erörtert. Der Autor behandelt zudem wichtige Hintergrundphänomene wie den Einfluss des Bible-Belts auf die Außenpolitik der USA sowie die iranische Inszenierung des Märtyrertods in Kerbala. Die Ursache für die Religionskriege der Gegenwart sieht er nicht in den jeweiligen Fraktionen, sondern ausschließlich in den Wechselwirkungen zwischen beiden Seiten – weder eine religiöse Gemeinschaft noch ein sozialer Konflikt seien allein die Ursache von Gewalt. Darüber hinaus attestiert er den neuen Formen praktizierter gewalttätiger Religiosität nach innen zwar innovativ, nach außen hin aber hierarchisch zu sein. So käme das Paradox zustande, dass mit der Individualisierung religiöser Praxis die Macht religiöser Gemeinschaften zunehmen könne. Kippenbergs tiefgehende und spannende Untersuchung hat das Potenzial, einen Beitrag zur Entwicklung eines neuen Paradigmas zu leisten.