Skip to main content
Otfried Höffe

Geschichte des politischen Denkens. Zwölf Porträts und acht Miniaturen

München: C. H. Beck 2016; 416 S.; 27,95 €; ISBN 978-3-406697142
Seitdem John Rawls 1971 „A Theory of Justice“ veröffentlicht habe, trage die Geschichte des politischen Denkens „den lapidaren Titel: Von Platon zu Rawls“ (389), schreibt der Philosoph Otfried Höffe in der Einleitung des letzten Porträts in diesem überaus lesenswerten und lehrreichen Band. Mit Rawls hat sich demnach das politische Denken in einem entscheidenden Schritt der (globalisierten) Gegenwart angenommen – wobei diese Gegenwart von der ersten Zeile des Buches an als verbesserungswürdig im Hintergrund steht: Höffe hat es sich mit dieser Darstellung von Biografie und Werk herausragender Denker Europas (unter Berücksichtigung der arabischen Welt) nicht nur zur Aufgabe gemacht, an die Herkunft des heutigen politischen Denkens zu erinnern. Sein zweites Ziel dient dem so unternommenen Versuch, „die Gegenwart durch Einblicke in Kontraste, aber auch in Gemeinsamkeiten zu verstehen“. Vorgestellt werden also „Diagnosen und Therapievorschläge“ (12) für das „Gemeinwesen“ (11). Von zentraler Bedeutung sind „Überlegungen zu einer politischen Anthropologie, die Rechtfertigung von Herrschaft und die Frage, ob es ein überpositives Recht, ein Natur‑ oder Vernunftrecht, gibt, ferner die Verpflichtung der Herrschaft auf Gerechtigkeit […] und die Kritik an jeder Form von Tyrannis“ (406). Diese ebenso zeitlosen wie aktuellen Fragen werden von den vorgestellten antiken, religiösen, aufklärerischen, humanistischen, liberalen oder marxistischen Denkern im Kontext ihrer eigenen Zeit mal mehr und mal weniger weitsichtig diskutiert, wobei sie immer die Ideen ihrer Vorgänger aufgreifen, prüfen, verwerfen oder weiterentwickeln. Hervorzuheben ist, dass Höffe zugleich sichtbar werden lässt, wie unzureichend die Geschichte des politischen Denkens verlaufen ist, liest man sie als Ideengeschichte der Emanzipation des mündigen Menschen: Die Gleichstellung der Frau wurde von der Mehrheit der Philosophen entweder überhaupt nicht als Aufgabe erkannt oder aber verneint (eine der großen Ausnahmen: John Stuart Mill). Gleiches galt lange auch für die Wahrnehmung nichtbesitzender und/oder nichtweißer Männer, wie unter anderem der Blick in die US‑amerikanischen Federalist Papers zeigt. Die Geschichte des politischen Denkens musste sich also nicht nur immer wieder von den vorgefundenen Herrschaftssystemen befreien, sondern auch von dem tradierten Blick auf den einzelnen Menschen. Erst Rawls hat die politische Ethik auf eine moderne, alle Menschen gleichermaßen achtende Basis gestellt, indem er „die Gerechtigkeitsgrundsätze als kategorische Imperative im Sinne Kants“ (394) verstanden hat.
{NW}
Rubrizierung: 5.15.35.42 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Otfried Höffe: Geschichte des politischen Denkens. München: 2016, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/40173-geschichte-des-politischen-denkens_48482, veröffentlicht am 08.12.2016. Buch-Nr.: 48482 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken