In der westlichen Medienberichterstattung wird die Ukraine nahezu durchgängig als ein zwischen modernen pro-europäischen und anti-europäischen national-konservativen Kräften zerrissenes Land porträtiert, dem es überdies an einer eigenständigen Geschichte mangele. Die landesgeschichtliche Einführung zeigt, dass diese Position unzureichend ist und die weitaus komplexere politische, soziokulturelle und religiöse Gemengelage des Landes grob vereinfacht. Dies verdeutlichen nicht zuletzt die Entwicklungen seit der Orangenen Revolution von 2004, die im Westen euphorisch begrüßt und mit großen Hoffnungen auf eine schnelle und unkomplizierte Euro-Atlantische Integration des Landes verbunden wurde – deren Protagonisten Wiktor Juschtschenko und Julija Tymoschenko sich jedoch mittlerweile politisch voneinander entfernt und mehrfach die Bündnispartner gewechselt haben. Die Darstellung der Geschichte der ukrainischen Länder erfolgt größtenteils chronologisch: Von der Gründung der ersten ostslawischen Staatlichkeit, der Kiewer Rus’, über die Zugehörigkeit der Landesteile zum Habsburger- bzw. Zarenreich bis zu den Entwicklungen seit der Unabhängigkeit der heutigen Ukraine 1991. Die Autorin zeigt, wie seit seinem Entstehen das Land und seine Geschichte Gegenstand oftmals widersprüchlicher historiografischer Diskurse und Erinnerungskulturen war, die nicht ohne Wirkung auf das nationale und kulturelle Selbstverständnis blieben. Einer der zentralen Gründe hierfür ist, dass seit jeher die heutigen östlichen und westlichen Nachbarn – Russland und Polen – sowie „Europa“ als zivilisatorische Projektionsfläche Bezugspunkte gebildet und die Entwicklung des Landes und seiner nationalen Identität bestimmt haben – in Symbiose oder Abgrenzung. Insgesamt bietet das Buch eine gut lesbare und größere Zusammenhänge sinnvoll erklärende Einführung.