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Pamela Hess

Geschichte als Politikum. Öffentliche und private Kontroversen um die Deutung der DDR-Vergangenheit

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2014; 305 S.; brosch., 59,- €; ISBN 978-3-8487-1671-5
Politikwiss. Diss. Frankfurt a. M.; Begutachtung: B. Geißel, M. Rottleuthner‑Lutter. – Fragen von Geschichtsbewusstsein und Geschichtspolitik werden zumeist unter kulturwissenschaftlichen Blickpunkten analysiert. Die Autorin unternimmt demgegenüber den Versuch einer politik‑ und sozialwissenschaftlichen Einordnung. Grundlage dafür ist die Annahme, der Rückgriff auf Geschichte könne politisches Handeln legitimieren. Dazu müsse die Politik ein gesellschaftlich akzeptables Deutungsmuster der Vergangenheit anbieten, in dem sich individuelle Erinnerungen wiederfinden könnten, was schließlich zur Systemstabilisierung beitrage. Als Beispiel dienen Pamela Heß entsprechende Debatten um die Deutung der DDR‑Geschichte. Dabei werden in einem ersten Schritt mithilfe einer Clusteranalyse politische Dokumente und Presseartikel quantitativ ausgewertet, um anschließend individuelle Äußerungen anhand von Familieninterviews qualitativ darauf zu beziehen. Für die politische und die printmediale Sphäre (andere Medien werden außen vor gelassen) konstatiert die Autorin eine Konzentration auf den Diktaturcharakter der DDR und damit zusammenhängende Aspekte wie die Rolle der Staatspartei SED und die sozialistische Ideologie, das Wirken der Staatssicherheit, das Grenzregime oder Fragen von Opposition und Widerstand. In der Presse werden dabei allerdings – sowohl besonders regional als auch überregional – lebensweltliche Aspekte stärker gewichtet, die nicht politisiert erscheinen. Dies korrespondiert mit den privaten Erinnerungen, bei denen „sich überwiegend eine Sicht auf die guten Seiten und die Errungenschaften der DDR“ (195) feststellen lässt. Es existieren gewisse generationelle Unterschiede, gerade bei jüngeren Interviewpartnern zeigt sich eine größere Bereitschaft zur Akzeptanz der offiziellen Deutungsansätze, ohne dass dies jedoch eine positive Deutung lebensweltlicher Aspekte ausschließt. Es ist demnach scheinbar noch nicht gelungen, einen allgemein anschlussfähigen gesellschaftlichen Grundkonsens zur Deutung der DDR‑Geschichte zu etablieren. Die Berücksichtigung der Vielfalt von Erinnerungen im Spannungsfeld von Diktatur und Lebenswelt macht für Hess „gute Geschichtspolitik“ (217) aus – ein Ideal, das bisher nicht erreicht wurde.
{MUN}
Rubrizierung: 2.352.3145.2 Empfohlene Zitierweise: Martin Munke, Rezension zu: Pamela Hess: Geschichte als Politikum. Baden-Baden: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38220-geschichte-als-politikum_46540, veröffentlicht am 26.03.2015. Buch-Nr.: 46540 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken