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Manuel Kellner

Gegen Kapitalismus und Bürokratie – zur sozialistischen Strategie bei Ernest Mandel

Köln: ISP 2009 (Wissenschaft & Forschung 22); 464 S.; 36,- €; ISBN 978-3-89900-022-1
Diss. Marburg; Gutachter: G. Fülberth. – Der Autor legt eine Gesamtdarstellung der politischen Konzeption des 1995 verstorbenen marxistischen Ökonomen Mandel vor. Kellner gesteht gleich im Vorwort den Einfluss, den Mandel auf die Herausbildung seiner eigenen – trotzkistischen – Ansichten gehabt habe. Als eine der zentralen Ansätze Mandels arbeitet Kellner die „strategische Fragestellung“ heraus, „ob sozialistische Revolutionen in den entwickelten kapitalistischen Industrieländern möglich seien und wie ihnen politisch zum Erfolg verholfen werden kann“ (29). Es fällt auf, dass Mandel es dabei beließ, die Arbeiter als revolutionäre Klasse zu betrachten – auch wenn er sich angesichts ihres relativen Wohlstandes Sorgen um ihr politisches Bewusstsein machte. In der frohen Erwartung sozialistischer Revolutionen sah Mandel aber sowieso nicht genau auf die Realität – er vertrat „die Ansicht, dass Kambodscha unter Pol Pot [...] ein Arbeiterstaat gewesen“ (402) sei. Kellner ist an dieser und ähnlichen Stellen anzumerken, wie sehr ihn die Fehleinschätzungen schmerzen. Dies gilt auch für Mandels (der 1944 in ein KZ inhaftiert worden war) Auslassungen zum Holocaust. „Dennoch stellt Mandel das Schicksal der Juden Europas in den allgemeinen Kontext der Krise des Kapitalismus und vergleicht es mit anderen Schrecken des Krieges und der unmittelbaren Nachkriegszeit: Dem Abwurf der US-amerikanischen Bomben auf Hiroshima und Nagasaki, [...] und auch der Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus osteuropäischen Ländern“ (379). Kellner lässt den Vorwurf der Relativierung der Naziverbrechen im Raum stehen. Mandel argumentierte allein aus der Theorie über die krisenhafte Entwicklung des Kapitalismus heraus und war fast folgerichtig der Ansicht, dass „der Ausgang des weltweiten Klassenkampfes [...] letztlich in den USA entschieden“ (404) werde. Die deutsche Wiedervereinigung schließlich bezeichnete Mandel, der nie hatte in den Ostblock einreisen dürfen, verständnislos als „soziale Konterrevolution“ (410).
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 5.46 | 5.45 | 5.43 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Manuel Kellner: Gegen Kapitalismus und Bürokratie – zur sozialistischen Strategie bei Ernest Mandel Köln: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/27839-gegen-kapitalismus-und-buerokratie--zur-sozialistischen-strategie-bei-ernest-mandel_32695, veröffentlicht am 17.02.2010. Buch-Nr.: 32695 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken