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Lutz Unterseher

Frieden schaffen mit anderen Waffen? Alternativen zum militärischen Muskelspiel

Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2011 (Friedens- und Konfliktforschung); 222 S.; 29,95 €; ISBN 978-3-531-17951-3
„Schieß’ nicht auf mich, denn ich könnte etwas ganz Verrücktes anstellen!“ (90) So in etwa sei die NATO-Doktrin der Flexible Response zu verstehen gewesen – eine hoch entwickelte Regierungsform (die westlichen Demokratien) habe irrational mit dem Erstgebrauch von Atomwaffen gedroht und damit vom Gegner – der Sowjetunion, einer Diktatur – ein äußerst rationales Verhalten verlangt: die Einhaltung von Frieden. Der Politikwissenschaftler Unterseher bezweifelt, ob eine derart widersprüchliche Haltung auf Dauer zum Frieden beigetragen hätte. Er plädiert grundsätzlich für einen „ganzheitlichen Kurswechsel militärischer Entwicklung“ vor dem Hintergrund der Feststellung, dass die bewaffnete Macht nicht als neutrales Instrument zu verstehen ist. Konkret gehe es um die Auflösung der Janusköpfigkeit der Streitkräfte – bisher könne „jede Investition in schützende Rüstung immer auch von anderen als potentielle Gefährdung verstanden werden“ (12). Unterseher beginnt seine Überlegungen, die er als Studienbrief für das Master- und Weiterbildungsprogramm der FernUniversität Hagen kurzweilig und kursorisch niedergeschrieben hat, mit einer kleinen, eher unorthodoxen Tour d’Horizon durch die militärtheoretische Ideengeschichte. Als Vorausdenker werden unter anderem Mo-Ti, Immanuel Kant, Ivan Bloch, Sun Tze (so er denn gelebt hat) und natürlich Carl von Clausewitz genannt. Mit ihm fragt Unterseher vor allem, was die Verteidigung – und nicht den Angriff – so stark macht. Betont wird außerdem, dass die Kriege nicht in der Natur des Menschen liegen, die Ursachen also nicht in seiner Aggressivität zu suchen sind, die Zahl der Kriege seit dem Ende des Ost-West-Konflikts signifikant gesunken ist sowie ihre große Mehrzahl aus innerstaatlichen Konflikten (Daten für 2005; 149) besteht. Diskutiert werden „Stabilitätskalküle“ (73 ff.), wobei sich zeigt, „dass die Perspektive der Kriegsvermeidung eng verknüpft ist mit dem Ziel des Abbaus von Bedrohungsängsten und der Aufgabe eines Ausstiegs aus der Rüstungsdynamik und der damit sich ergebenden Möglichkeit einer Freisetzung von Ressourcen für eine friedliche gesellschaftliche Entwicklung“ (77). Unterseher räumt ein, dass möglicherweise „eine Verteidigung in ihrer Abhaltequalität nicht respektiert und die Aggression gewählt wird“ (78). Dennoch argumentiert er, dass eine alternative Verteidigung (die ausschließlich nur für diese konzipiert ist) alternativlos ist, „wenn es darum geht, auch mit militärischen Mitteln einem positiven Frieden mehr Chancen zu geben“ (201).
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 4.1 | 4.41 | 2.61 | 2.63 | 5.33 | 5.34 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Lutz Unterseher: Frieden schaffen mit anderen Waffen? Wiesbaden: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34027-frieden-schaffen-mit-anderen-waffen_40783, veröffentlicht am 17.11.2011. Buch-Nr.: 40783 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken