
Freischützen des Rechtsstaats. Wem nützen Stasiunterlagen und Gedenkstätten?
In der deutschen Geschichtspolitik spielen mit Blick auf Fördergelder u. a. politische Erwägungen und Parteiinteressen eine Rolle. Dabei handelt es sich um einen kritikwürdigen Sachverhalt, dessen sich zunehmend auch von wissenschaftlicher Seite seriös angenommen wird. Die Publikation gehört jedoch kaum in diese Reihe. Die Autoren heben mit der Feststellung an: „Die Denunziation – auch das hat Tradition im bürgerlichen deutschen Staat – wird hierzulande gesellschaftlich organisiert.“ (9) Diese Bemerkung ist umso ärgerlicher, als beide Autoren Mitglieder des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) waren. Sie wenden sich damit gleichwohl gegen eine „Klassenjustiz“, die ehemaligen Mitarbeitern des MfS das „Recht auf Resozialisierung“ (11) verweigert. Insofern sei jeder westdeutsche Straftäter besser gestellt, da deren Namen nicht öffentlich gemacht werden. Um die Einseitigkeit der Geschichtsschreibung zu illustrieren, greifen sich die Autoren ein Werk heraus, das tatsächlich mit zu hohen Zahlen der MfS-Mitarbeiter arbeitet. Dass die Mehrheit der Publikationen mit ähnlichen Zahlen hantiert, wie die Autoren selbst, findet keine Erwähnung. In etwa war jeder 90. DDR-Bürger, 0,85 % der Bevölkerung, für das MfS tätig. Was diese Tatsache für das gesellschaftliche Klima und die politische Kultur bedeutet, diskutieren die Autoren ebenfalls nicht. In ihrem Kapitel zur Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen zitieren Kierstein und Schramm aus der Vita eines Zeitzeugen, der wegen Rebellion gegen das SED-Regime zu 17 Jahren Haft verurteilt wurde. Da nicht angeführt wird, um welche Art von Rebellion es ging, der Zeitzeuge auch nicht „freigekauft“ wurde, folgern sie: „zu vermuten steht auch, dass Charlie als Untersuchungsgefangener niemals in der UHA Berlin-Hohenschönhausen war“ (116). Dies illustriert den Stil des Buches, denn tatsächlich trifft das auf jeden zweiten Zeitzeugen zu, aber mit einer Unterstellung auf der Basis von Vermutungen zu arbeiten, bleibt inakzeptabel. Der polemische Stil des Buchs ist eine Verhöhnung der Stasi-Opfer, dass die Autoren darauf keine Rücksicht nehmen, spricht für sich.