
Freiheit und Zuwanderung als Spannungsverhältnis. Beiträge zur Sarrazin-Diskussion
Die Diskussion über die 2010 erschienene Publikation Thilo Sarrazins „Deutschland schafft sich ab. Wie wir unser Land aufs Spiel setzen“ (Buch-Nr. 39460) war heftig, aber nur von kurzer Dauer. An der öffentlichen Reaktion lassen sich mindestens zwei Aspekte unterscheiden. Einerseits ist der polemische Gestus des Autors – eine eigentümliche Mischung wohl kalkulierter Provokation und simplifizierend-biologistischer Rhetorik – scharf kritisiert worden. Andererseits galt einigen Kommentatoren diese Form der Resonanz als Indiz, dass Sarrazin – wenn auch mit untauglichen Mitteln – ein latentes, aber weit verbreitetes Unbehagen über die zunehmende kulturelle Pluralisierung der deutschen Gesellschaft artikuliert habe, das ernst genommen werden müsse. Mit diesem Sammelband soll – so der Untertitel – ein „Beitrag zur Sarrazin-Diskussion“ geleistet werden; allerdings bleibt undeutlich, welcher Art dieser Beitrag sein soll. Weder wird das im Buchtitel unterstellte Spannungsverhältnis von „Freiheit und Zuwanderung“ nachvollziehbar entfaltet, noch ist ein Auswahlprinzip der einzelnen Texte erkennbar. Der Herausgeber ist mit vier kurzen, Sarrazin zustimmenden Wortmeldungen vertreten; der mit rund 40 Seiten längste Aufsatz (Hinrichs) schließt mit dem Urteil, Sarrazins Buch sei „zumindest bildungsökonomisch habilitationsadäquat“ (126). Drei Artikel greifen religionspolitische Fragen auf (Flaig; Krauss; Bogner) – allerdings ohne jeglichen Bezug auf Sarrazin selbst; eine weitere Abhandlung deutet die öffentliche Sarrazin-Kritik als Beleg eines die Medien dominierenden linksliberalen Meinungspaternalismus (Miliopoulos). Allein der Beitrag von Gieler über die deutsche Migrationspolitik ist um ein abgewogenes Urteil bemüht. Es bleibt ein Rätsel, warum der Verlag diesen Band in seine Reihe „Politikwissenschaft“ aufgenommen hat.