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Leonidas Donskis

Freiheit und Zugehörigkeit. Europäischer Kanon, kulturelle Identität und postmoderne Krise. Hrsg. von Christoph Böhr. Übersetzt aus dem Englischen von Gennaro Ghirardelli

Wiesbaden: Springer VS 2014 (Das Bild vom Menschen und die Ordnung der Gesellschaft); 342 S.; 59,99 €; ISBN 978-3-658-01335-6
In der Reihe „Das Bild vom Menschen und die Ordnung der Gesellschaft“ sollen philosophische Anthropologie und politische Theorie wieder stärker in Verbindung gebracht werden, denn das eine könne nur schwerlich ohne das andere existieren. Ganz in diesem Sinne argumentiert daher auch Leonidas Donskis. Ihm geht es dabei um das Problem der verworrenen individuellen und kollektiven Identitäten und den Zusammenhang derselben mit einer vermeintlichen Krise der postmodernen europäischen Gesellschaft. Er argumentiert dabei stark mit der Theorie des Soziologen Zygmunt Bauman, in der die Krise der Moderne und der modernen Institutionen ein zentrales Argument darstellt. Die Menschen der Postmoderne suchen demnach nach neuer Sicherheit in einer „flüssigen“ Gegenwart, die scheinbar nur noch auf Schnelligkeit und Produktivität ausgerichtet ist. Donskis fragt in diesem Sinne: „Was zeichnet unsere Epoche mehr aus als die Hetzerei“ (215)? Wir distanzieren uns seiner Meinung nach von unserer eigenen Kultur, nehmen uns keine Zeit mehr, uns mit den Büchern, Theaterstücken und Kunstwerken vertraut zu machen, die den europäischen Kanon ausmachen. Diesen definiert er zuvor ganz allgemein „im Sinne einer dauernden Wiederentdeckung des Selbst in einer Welt multipler Identitäten und im gemeinsamen Raum kultureller Identität“ (44). Hier folgt schließlich auch der Sprung auf die Ebene der Politik und der politischen Theorie. Denn ebenso, wie die europäische Kultur schon immer aus Verhandlungen, Verknüpfungen und Konflikten zwischen den einzelnen Völkern entstanden sei, könne auch die politische Identität Europas in der Postmoderne über einen Prozess der Aushandlung entstehen. Man müsse sich darauf verständigen, was heutzutage politische Freiheit sein könne oder was beispielsweise die Bedeutung von Menschenrechten ausmache. Das Buch ist insgesamt eine etwas schwere Lektüre. Die einzelnen Teile wurden bereits an anderen Stellen veröffentlicht und sind in unterschiedlichen Kontexten entstanden, was beim Lesen auch auffällt. Oft fehlt der rote Faden; zumindest muss er häufig wieder gesucht werden. Die sehr umfangreichen, verschiedenen Gedankenanstöße, die vermittelt werden, sind positiv hervorzuheben und machen die Bedeutung des Werkes aus. Aufgrund des Umfanges wäre eine deutlichere Strukturierung des Buches allerdings umso wünschenswerter gewesen.
Vinzent-Vitus Leitgeb (VL)
B.A., Politikwissenschaften, Student im Masterstudiengang des Geschwister-Scholl-Instituts für Politikwissenschaften an der LMU München.
Rubrizierung: 5.42 | 2.23 | 2.61 Empfohlene Zitierweise: Vinzent-Vitus Leitgeb, Rezension zu: Leonidas Donskis: Freiheit und Zugehörigkeit. Wiesbaden: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37520-freiheit-und-zugehoerigkeit_45836, veröffentlicht am 11.09.2014. Buch-Nr.: 45836 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken