
Frankreich
Eine politische Landeskunde Frankreichs auf 190 Seiten ist kein leichtes Unterfangen. Dass Helmut Schmidt und Richard von Weizsäcker den Frankreich‑Band ihrer Reihe „Die Deutschen und ihre Nachbarn” dem Münchner Journalisten Johannes Willms übertragen haben, zeugt von glücklicher Hand. Der Autor, Kulturkorrespondent in Paris, ist ein ausgewiesener Kenner Frankreichs. Er beginnt seine Darstellung mit einer politischen Konstante, dem Blick auf den Nationalismus der Rechten und den Nationalismus der Linken. Bis zur Gründung der V. Republik durch Charles de Gaulle 1958 war dies seit 1789 immer wieder Grund für Revolutionen, wodurch sich „reaktionäre und autoritäre, liberale und demokratische Regime im bunten Wechsel einander ablösten” (13). Entsprechend ist die neuere französische Geschichte geprägt von Monarchisten, Bonapartisten, Legitimisten, Konservativen sowie Gaullisten einerseits sowie Jakobinern, Liberalen, Republikanern, Kommunisten und Sozialisten andererseits. In diesem Rahmen entfaltet Willms sechs historische Themen und Querschnitte: Frankreich als koloniale Großmacht, Versailles und die Folgen, Vichy, Widerstand und Befreiung, Charles de Gaulle, die Zeit nach de Gaulle. Ziel ist es dabei, die französische Identität zu skizzieren. Zur Identität der Franzosen gehört jedoch über die Geschichte hinaus noch mehr: das literarische Leben, das Kunstschaffen, der französische Film, die französische Kochkunst und nicht zuletzt die französische Sprache. Willms ist so eine politische Landeskunde gelungen, die das Wesen Frankreichs überaus anregend entfaltet, indem er das spezifisch Politische im Historischen und Kulturellen sucht – und findet.