Frank Renken

Frankreich im Schatten des Algerienkrieges. Die Fünfte Republik und die Erinnerung an den letzten großen Kolonialkonflikt

Göttingen: V&R unipress 2006; 569 S.; geb., 69,- €; ISBN 978-3-89971-300-8
Politikwiss. Diss. FU Berlin; Gutachter: P. Steinbach. E. Wolfrum. – Der Algerienkrieg sei lange ein namenloser Krieg gewesen, schreibt der Autor, amtlich habe man in Frankreich von „Operationen zur Aufrechterhaltung der Ordnung“ (10) gesprochen. Dabei seien von ihm wesentliche Entwicklungen ausgegangen: Die französische Gesellschaft sei politisch umgewälzt und die Fünfte Republik etabliert worden; der Krieg sei Schrittmacher der Entkolonisierung des französischen Imperiums in Afrika gewesen. Aber das staatliche Verleugnen sei erst 1999 beendet worden, als die Nationalversammlung den Krieg „anerkannt“ und die bisherige Sprachregelung durch den Begriff „Algerienkrieg“ ersetzt habe. Renken analysiert die Ursachen und das Wirken dieser jahrzehntelangen staatlichen Verleugnung des Krieges und erklärt den radikalen Bruch mit dieser Erinnerungspolitik. Prägend sei das von Charles de Gaulle postulierte offizielle Desinteresse gewesen, das mit der Erleichterung über den endlich erreichten Frieden korrespondiert habe. Anders als das Ende des Zweiten Weltkriegs habe dieses historische Ereignis keinen Anknüpfungspunkt einer nachträglichen nationalen Versöhnung bieten können. Vielmehr habe de Gaulle in seinen Memoiren den Kolonialismus als historische Leistung Frankreichs gewertet und die im Kolonialkrieg verübten Verbrechen verleugnet. Der Autor zeichnet dann die Beziehungen Frankreichs zum unabhängigen Algerien nach, den Umgang der Linken mit der Algerienvergangenheit, die Rolle der ehemaligen Soldaten als verkörperter Widerspruch zur staatlichen Verleugnungspolitik sowie die Versuche, die Kolonialdoktrin am Leben zu erhalten. Thematisiert wird ferner, wie abhängig die Zeitgeschichtsforschung von den sie umgebenen Bedingungen war. Mit einem großangelegten Kolloquium seien schließlich 1988 die Ängste der Historiker, sich auf ein politisches Minenfeld zu begeben, durchbrochen worden. Aber erst als die Erinnerung an den Krieg nicht mehr mit politischen und sozialen Interesse verbunden gewesen und zur Geschichte geworden sei, habe das algerische Tabu aufgehört zu existieren.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.61 | 2.23 | 4.22 | 2.67 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Frank Renken: Frankreich im Schatten des Algerienkrieges. Göttingen: 2006, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/26364-frankreich-im-schatten-des-algerienkrieges_30715, veröffentlicht am 25.06.2007. Buch-Nr.: 30715 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken

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