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Martin Spiering

Föderale Konstitutionalisierung mit der Konventsmethode. Ein Vergleich der Verfassungskonvente von Philadelphia und Brüssel

Berlin: Lit 2015 (Region – Nation – Europa 76); 325 S.; 29,90 €; ISBN 978-3-643-12969-7
Politikwiss. Diss. Potsdam; Begutachtung: H. Kleger, P. Karolewski. – Wer sich mit der Geschichte und Entwicklung der Europäischen Union beschäftigt, wird sich vielfach an die Genese der Nationalstaatsbildung der USA erinnern. Hier wie dort finden sich föderale Strukturen, einzelstaatliche Interessen und ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber der übergeordneten Ebene. Martin Spiering möchte aber keinen simplen USA‑EU‑Vergleich unternehmen, sondern stellt den Konvent als Methode – hier anhand des Verfassungskonvents von 2002/2003, der den Vertrag für eine Verfassung für Europa ausarbeitete – in den Mittelpunkt der Analyse. Was kann diese Methode in Zukunft für die europäische Integration oder gar Verfassung leisten? Hierzu vergleicht der Autor den EU‑Konvent mit der Philadelphia Convention, aus der die US‑amerikanische Verfassung hervorgegangen ist. Der Konvent unterscheidet sich dabei von einer verfassunggebenden Versammlung durch „die rigide Trennung vom regulären politischen Betrieb und zugleich seine Beschränkung auf die Aufgabe der Verfassunggebung, genauer gesagt deren Ausarbeitung“. (70). Dabei werden alle föderalen Glieder oder Mitgliedsstaaten in den Deliberationsprozess mit einbezogen. Die Fallbeispiele werden vom Autor detailliert analysiert und verständlich dargestellt. Dabei wird deutlich, dass der Verfassungskonvent von Philadelphia wichtige Anstöße und Rahmenbedingungen setzte, aber erst im Zusammenspiel mit öffentlicher Kritik und intensiven Debatten den endgültigen Kompromissentwurf lieferte. Der Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Interessen der EU‑Staaten wurde ebenfalls erreicht, jedoch der Entwurf nicht sogleich zur Ratifizierung an die nationalen Parlamente übermittelt. Stattdessen verhandelten die nationalen Regierungen sogleich über Änderungen des Vertragsentwurfes. Eine öffentliche Debatte, wie sie sich in den berühmten Federalist und Anti‑Federalist‑Papers manifestierte, gab es nicht. Insgesamt erlaubt der gut geschriebene Vergleich interessante Parallelen und zeigt, dass der Konvent auch in Zukunft bei der Neuregelung der europäischen Verträge eine Rolle spielen kann: „Soll es mit dem europäischen Integrationsprozess weitergehen, kommen wir um die Konventsmethode oder ein funktionales Äquivalent nicht herum.“ (297)
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Rubrizierung: 3.22.212.64 Empfohlene Zitierweise: Fabrice Gireaud, Rezension zu: Martin Spiering: Föderale Konstitutionalisierung mit der Konventsmethode. Berlin: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39234-foederale-konstitutionalisierung-mit-der-konventsmethode_47682, veröffentlicht am 07.01.2016. Buch-Nr.: 47682 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken