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Stuart Price

Fesseln spürt, wer sich bewegt. Überwachung, Repression und Verfolgung im neoliberalen Staat

Hamburg: LAIKA Verlag 2012 (Edition Provo 5); 361 S.; 21,- €; ISBN 978-3-942281-00-3
Die Überlegungen zu diesem Buch entstanden bei einer Vorlesung im Jahr 2010 im Rahmen des Programms für kulturellen Austausch an der britischen De Montfort University. Etwas eigenartig mutet dabei an, dass die eigentliche Analyse von Price erst nach vier Vorworten auf Seite 80 beginnt, ohne dass deutlich würde, wie und warum es zu dieser Zusammenstellung einer in sich geschlossenen Übersetzung und faktisch vier separaten Aufsätzen kam – zumal Ulla Jelpke als innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Die Linke gleich zwei Beiträge beisteuert. In der Summe berührt der Band ein grundlegendes gesellschaftliches Problem. Der Fokus ist auf die sich verändernde Wahrnehmung des staatlichen Gewaltmonopols im Zeichen von internationalem Terror sowie einer sich vermeintlich radikalisierenden Globalisierungskritik gerichtet. Es ist allein der Tenor und Duktus des ganzen Bandes, der dem berechtigen Anliegen der Autoren bei einer breiteren Leserschaft vermutlich einen Bärendienst erweisen dürfte. Zwar ist den Autoren zuzustimmen, dass – vor allem seit 9/11– staatlicherseits eine permanente Gefährdungslage postuliert wird und Überwachungsstrukturen ausgedehnt wurden, weil mit einem neuen Präventionsverständnis auch die Überwachung einer wachsenden Zahl Unverdächtiger gerechtfertigt wird. Gleichwohl ist es doch mehr als fragwürdig, deshalb gleich von einem wahnwitzigen, totalitären europäischen Sicherheitsstaat zu sprechen, gegen den es Widerstand zu leisten gelte. Auch der Hauptthese von Price liegt ein Misstrauen gegenüber dem Staat zugrunde, wenn er davon ausgeht, „dass Pläne, die scheinbar Gefahren von außen beschreiben, in Wirklichkeit die Furcht der Obrigkeit vor Unzufriedenheit im Inneren bezeugen“ (328). Mit Blick auf dieses Ansinnen versuche der Staat u. a., demokratische Einschränkungen exekutiver Macht zu umgehen, ein autoritäres Narrativ mit engem Sicherheitsverständnis zu verbreiten, demokratische Initiativen „durch die Manipulation von Zeit und Raum“ (329) zu verhindern sowie alternative politische Vorstellungen zu unterdrücken. So manche dieser abstrakt-theoretisch formulierten Beobachtungen erscheinen nicht abwegig. Alleine die empirisch belastbaren Belege zur Untermauerung der vermuteten Kausalzusammenhänge bleibt der Autor schuldig. Vor dem Hintergrund des jüngsten Versagens der Verfassungsschutzbehörden in der Bundesrepublik stellt sich zudem die Frage, ob ein sich vermeintlich totalisierender Überwachungsstaat nicht immer auch das Potenzial zur eigenen Implosion birgt.
Henrik Scheller (HS)
Dr. phil., Dipl.-Politologe, wiss. Mitarbeiter, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Lehrstuhl Politik und Regieren in Deutschland und Europa, Universität Potsdam.
Rubrizierung: 2.2 | 2.21 | 2.22 | 2.25 | 2.263 Empfohlene Zitierweise: Henrik Scheller, Rezension zu: Stuart Price: Fesseln spürt, wer sich bewegt. Hamburg: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34501-fesseln-spuert-wer-sich-bewegt_41436, veröffentlicht am 22.11.2012. Buch-Nr.: 41436 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken