Evidenzbasierte Politikformulierung in der Schweiz. Gesetzesrevisionen im Vergleich
Politikwiss. Diss. Zürich; Begutachtung: D. Kübler, T. Widmer. – An der Schnittstelle von Politik und Wissenschaft beschäftigen sich Forscher_innen der evidenzbasierten Politik mit der Frage, wie Forschung für politische Entscheidungsträger_innen aufbereitet und nutzbar gemacht werden kann. Sie wollen damit die Qualität der politischen Debatte und der staatlichen Problemlösungen erhöhen. In ihrer Studie konzentriert sich Kathrin Frey auf die Analyse von Entscheidungsprozessen, konkret auf ausgewählte Bundesgesetzrevisionen in der Schweiz in vier verschiedenen Politikbereichen (Verkehrssicherheit, Drogen, Gesundheitsversorgung, Asyl), und verfolgt dabei drei Ziele: Erstens will sie die aktuelle Realisierung einer evidenzbasierten Politikformulierung in der Schweiz erfassen und schaut im Rahmen von zwölf Fallstudien, welche Akteure welche Wirkungsinformation wann und wie in die Gesetzesrevision einbrachten. Zweitens will sie die Bedeutung (im Sinne von Intensität des Einflusses) von forschungsbasierten Wirkungsinformationen in Gesetzesrevisionen erklären, indem sie ein theoretisches Modell entwickelt, das der Dynamik von politischen Entscheidungsprozessen gerecht wird. Drittens will sie einen Beitrag zur Methodendiskussion leisten. Frey begibt sich tief in ihre Fallbeispiele und spürt den Feedbackprozessen mithilfe von Dokumentenanalysen und Experteninterviews nach. So kann sie etwa für die zwei untersuchten Revisionen im Bereich Asylpolitik feststellen, dass die Politikformulierung hier wenig evidenzbasiert erfolgte, und dies unter anderem auf die fehlende Überzeugungskraft der Wirkungsinformationen, einen hohen Spar‑ und Zeitdruck, aber auch eine sich personell verändernde Exekutive und Legislative zurückführen. Die Revision des Betäubungsmittelgesetzes liefert andere Ergebnisse: Insbesondere die gesetzliche Verankerung der heroingestützten Behandlung „kann als ausserordentliches Idealbeispiel einer evidenzbasierten Politikformulierung bezeichnet werden“ (178). In Auseinandersetzung mit anderen Arbeiten führt Frey im letzten Teil der Dissertation ihre Ergebnisse zusammen und entwickelt auf dieser Grundlage ein Modell, das unter anderem die massenmediale Diffusion und den Politikbereich berücksichtigt und für anschließende Forschungen genutzt werden kann.