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Christian Calliess (Hrsg.)

Europäische Solidarität und nationale Identität. Überlegungen im Kontext der Krise im Euroraum

Tübingen: Mohr Siebeck 2013 (Studien zum europäischen und deutschen Öffentlichen Recht 6); VIII, 244 S.; brosch., 54,- €; ISBN 978-3-16-152814-9
Der Ruf nach Solidarität in der Europäischen Union ist groß. Doch wie verhält sich das verfassungsmäßige Prinzip der Solidarität zum Subsidiaritätsprinzip, das die nationale Identität bewahren soll? Die Teilnehmenden an der Europarechtskonferenz, die im Mai 2012 in Berlin stattgefunden hat, geben darauf unterschiedliche Antworten. Ingolf Pernice geht in seinem Beitrag auf die Unionsbürgerschaft ein und versteht diese als Ausdruck einer europäischen Solidarität zwischen den Menschen. Schließlich bildeten die Menschen eine Rechtsgemeinschaft im Sinne des Lissaboner Vertrages und teilten gewisse Normen und Rechtsvorstellungen. Solidarität sei aber zugleich in Zeiten der Krise die Basis der notwendigen Unterstützung von EU‑Mitgliedsstaaten wie Griechenland oder Irland – fehlende Solidarität hätte die Instabilität der gesamten EU zur Folge. Frank Schorkopf erörtert aus juristischer Perspektive, dass anstatt mehr Integration nun Solidarität in der EU‑Krise gefordert werde. Der Begriff Solidarität trete sowohl in der öffentlichen Debatte als auch im Lissaboner Vertrag an prominenter Stelle auf (etwa bei Asylfragen oder in der Umweltpolitik) und werde dabei mit dem Begriff der Verantwortung verbunden. Es gehe schließlich um eine „reziproke Solidarität“ (113) zwischen den EU‑Staaten in der Krise. Thomas Risse, einziger genuiner Politikwissenschaftler auf der Tagung, widmet sich der Konstruktion der europäischen Identität in der Krise. Er zeigt anhand aktueller Forschungsergebnisse, dass Solidarität nicht nur als Rechtsbegriff in der EU existiert, sondern dass die EU‑Bürger_innen auch eine bedingte Solidarität mit schwächeren Staaten und anderen Unionsbürger_innen äußern. Solidarisches Handeln werde in Umfragen von den Unionsbürger_innen mehrheitlich befürwortet – gleich aus welchem Mitgliedsstaat sie kommen –, solange schwächere Staaten Auflagen oder gar Sanktionen erhielten, falls sie sich nicht „besserten“. Europäische Solidarität sei also an Konditionen geknüpft. Zudem variiere die Identifikation mit Europa/EU je nach Land und im jeweiligen Verhältnis zur Identifikation mit dem eigenen Land. Risse hält fest, dass Europa zumindest als „sekundäre Identität“ (123) für die Mehrheit der Unionsbürger_innen gelten kann, und konstatiert entgegen üblichen kritischen Kommentaren: „[V]on einer allgemeinen Krise der europäischen Integration in den Augen der EU‑Bürgerinnen und ‑Bürger [kann] keine Rede sein.“(126)
Stefan Wallaschek (WAL)
Doktorand, Bremen International Graduate School of Social Sciences (BIGSSS).
Rubrizierung: 3.13.23.43.52.321 Empfohlene Zitierweise: Stefan Wallaschek, Rezension zu: Christian Calliess (Hrsg.): Europäische Solidarität und nationale Identität. Tübingen: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37576-europaeische-solidaritaet-und-nationale-identitaet_45113, veröffentlicht am 25.09.2014. Buch-Nr.: 45113 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken