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Andreas Grimmel

Europäische Integration im Kontext des Rechts

Wiesbaden: Springer VS 2013; XXI, 401 S.; geb., 49,95 €; ISBN 978-3-531-18535-4
Politikwiss. Diss. Hamburg; Begutachtung: C. Jakobeit. – Zwar hat das Recht als Ort der Integration eine gewichtige Position innerhalb der Sozialwissenschaften, allerdings steht „nicht die Integration durch Recht, sondern die durch Akteure produzierte Integration im Bereich des Rechts im Mittelpunkt zahlreicher Fallstudien und Analysen“ (5). Entsprechend versucht die Integrationstheorie „ein Phänomen zu erklären, dessen funktionale Voraussetzungen sie nicht kennt und offenbar auch nicht zu erkennen sucht“ (4 f.). Andreas Grimmel nimmt sich dieser in der bisherigen Forschungsliteratur identifizierten Lücke an und begreift Recht als einen eigenständigen und selbsttragenden Kontext, in dem Handeln als eine spezifische Form des Räsonierens verstanden wird. Der Autor entwickelt auf Grundlage dieser Prämisse ein Analysewerkzeug, das in der Lage sein soll, „die inneren Vorgänge im Bereich des europäischen Rechts abzubilden und verständlich zu machen. Es wird dabei explizit die Integration durch juristische Akte der Rechtsauslegung, ‑anwendung und ‑fortbildung im Mittelpunkt stehen, also derjenige Bereich der Rechtsintegration, der tatsächlich und allein innerhalb des Rechts liegt“ (15). Seinen Ansatz entwickelt Grimmel in Auseinandersetzung mit einerseits Ludwig Wittgenstein und andererseits Max Weber sowie poststrukturalistischen Autoren, deren Konzepte der Sprachpraxis und der Rationalität in modifizierter Form einfließen. Die von Grimmel so bezeichnete Kontextrationalität fokussiert den Horizont sprachpraktischer Möglichkeiten und geht davon aus, dass ein gemeinsam praktiziertes und sprachlich transportiertes Verständnis von Handlungssinn vorhanden sein muss, um Integration zu ermöglichen. Das in der Arbeit vorgestellte Rationalitätsverständnis weist im Vergleich zum eher trivialen Rationalitätsbegriff fünf Charakteristika auf: Rationalität ist kontextuell different, als dynamischer Prozess aufzufassen, erlernbar und verstehbar, nicht beliebig auf andere Kontexte übertragbar und wirkt innerhalb eines Kontextes stabilisierend. In seinem empirischen Teil diagnostiziert Grimmel eine lange Zeit unvollständige europäische Rechtsordnung, durch die der EuGH gezwungen war, das Gemeinschaftsrecht selbst auszulegen. Eine Ermächtigung oder politische Motivation, wie dies Kritiker dem EuGH vorwerfen, erblickt Grimmel darin nicht. Vielmehr führte diese notwendige Vervollständigung seiner Ansicht nach überhaupt erst dazu, dass Europa nun die Sprache eines gemeinsamen europäischen Rechts spricht und das Recht dadurch maßgeblich zur Integration beiträgt.
Ines Weber (IW)
M. A., Politikwissenschaftlerin (Kommunikationswissenschaftlerin, Psychologin), wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften, Christian-Albrechts-Universität Kiel.
Rubrizierung: 3.1 | 3.2 | 3.3 Empfohlene Zitierweise: Ines Weber, Rezension zu: Andreas Grimmel: Europäische Integration im Kontext des Rechts Wiesbaden: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36018-europaeische-integration-im-kontext-des-rechts_43841, veröffentlicht am 01.08.2013. Buch-Nr.: 43841 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken