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Ulrich Rosar

Ethnozentrismus in Deutschland. Eine komparative Analyse 1980 bis 1996

Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 2001; 425 S.; brosch., 38,86 €; ISBN 3-531-13654-2
Diss. Sozial- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät Bamberg. - Zu einer zivilen politischen Kultur gehört - neben anderem - ein toleranter, Unterschiede respektierender Umgang mit Minderheiten. Das Bild, das Deutschland in dieser Hinsicht seit der Einheit bietet, ist mindestens zwiespältig. Der Anstieg rechtsextremer Übergriffe und insbesondere fremdenfeindlicher Straftaten ebenso wie Wahlerfolge rechter beziehungsweise rechtspopulistischer Parteien können bei Beobachtern den Eindruck entstehen lassen, "als habe die Vereinigung der beiden deutschen Staaten einer Rekonstitution eben jener politischen Kultur den Weg geebnet, die die Verbrechen des Nationalsozialismus erst möglich gemacht" hat (7). Die entsprechenden Phänomene, oftmals illustriert mit wahlstatistischen Daten oder solchen der polizeilichen Kriminalstatistik, umschreiben die Vermutung, es könnte auf der Ebene von Verhalten und Einstellungen möglicherweise doch einen "deutschen Sonderweg" geben, der erkennbar von Standards westlicher Demokratien abweicht (26). Diese Frage greift der Autor im Rahmen einer breit ansetzenden vergleichenden Sekundäranalyse auf, die den Zeitraum 1980 bis 1996 (für Westdeutschland) beziehungsweise 1990 bis 1996 (für Ostdeutschland) umfasst. Als Datenquellen verwendet er die Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS), das Politbarometer (Forschungsgruppe Wahlen) und die Eurobarometer (Europäische Kommission). Konzeptionell beruht die Studie auf drei Schritten: zunächst entwickelt Rosar ein Metakonzept des Ethnozentrismus, das das weite Spektrum von Rechtsextremismus, Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus umfasst. Anschließend beschreibt er auf Makroebene den Kontext sozialen Wandels, vor dessen Hintergrund dann auf der Ebene von Einstellungen die Verbreitung ethnozentristischer Tendenzen analysiert werden. In seiner Gesamtbewertung kommt Rosar - in Anlehnung an Überlegungen, die Scheuch und Klingemann bereits 1967 zur Interpretation des damaligen Rechtsradikalismus entwickelt haben - zu einer Deutung, die den aktuellen Ethnozentrismus als "normale" Pathologie einer sich modernisierenden Gesellschaft einstuft. Inhaltsübersicht: 1. Ein Volk von Barbaren?; 2. Ethnozentrismus - Ein Metakonzept; 3. Datenbasis, Operationalisierungsmöglichkeiten und analysetechnische Implikationen; 4. Sozialer Wandel: 4.1 Ökonomie; 4.2 Politik; 4.3 Solidarität; 4.4 Kultur; 4.5 Mobilität und Kommunikation; 4.6 Minderheiten, Migration und Integration. 5. Die Entwicklung ethnozentristischer Vorbehalte: 5.1 Langfristige Entwicklungen und die Situation 1996; 5.2 Kurzfristige Trends; 5.3 Entwicklungen im europäischen Vergleich; 5.4 Tendenzen und Koinzidenzen. 6. Die Konsistenz ethnozentristischer Vorbehalte: 6.1 Intrakonzeptkonsistenz; 6.2 Interkonzeptkonsistenz. 7. Ursachen ethnozentristischer Vorbehalte: 7.1 Erklärungsansätze und Indikatoren; 7.2 Eine erste Überprüfung - Ausgrenzung; 7.3 Die Übertragbarkeit auf andere Dimensionen. 8. Konsequenzen: 8.1 Politische Unzufriedenheit; 8.2 Die Unterstützung rechtsextremer Parteien; 8.3 Ethnozentristisch motivierte Übergriffe. 9. Die "normale" Pathologie moderner Gesellschaften.
Thomas Mirbach (MIR)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.35 | 2.37 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Ulrich Rosar: Ethnozentrismus in Deutschland. Wiesbaden: 2001, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/16008-ethnozentrismus-in-deutschland_18330, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 18330 Rezension drucken