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Henning Fischer

"Erinnerung" an und für Deutschland. Dresden und der 13. Februar 1945 im Gedächtnis der Berliner Republik

Münster: Westfälisches Dampfboot 2011; 184 S.; 24,90 €; ISBN 978-3-89691-873-4
Seit der Jahrtausendwende wird in verstärktem Maße der Opfer gedacht, die der Zweite Weltkrieg von der deutschen Bevölkerung gefordert hat. Für den Autor ist dies eine überraschende Entwicklung. Zur Klärung dieses Phänomens sucht er nach einer Verbindung zwischen Geschichte und Gegenwart. Fischer geht von dem Vorhandensein einer kollektiven Erinnerung als nationalem Alltagsbewusstsein aus. Auf dem Fundament dieser kollektiven Erinnerung können sich Mythen um vergangene Ereignisse entwickeln. Die Luftangriffe der Alliierten am 13. Februar 1945 auf Dresden nehmen einen prominenten Platz in der deutschen Vergangenheitsbewältigung ein. Fischer hinterfragt den Mythos, der sich um die Zerstörung Dresdens rankt. Er arbeitet die Verflechtung Dresdens mit dem nationalsozialistischen Regime heraus und stellt fest, dass die Stadt im gleichen Maße wie andere deutsche Großstädte mit in den Nationalsozialismus verstrickt war. So nahm Dresden aktiv an der nationalsozialistischen Gleichschaltungspolitik, dem Holocaust und der Rüstungsproduktion teil. Darüber hinaus habe es strategische Entwicklungen gegeben, die die Stadt aus Sicht der Alliierten zu einem logischen Angriffsziel machten. Fischer erkennt in Bezug auf die DDR, „dass die Erzählung vom 13. Februar 1945 in der DDR ein zentraler Aspekt der staatlichen geschichtspolitischen Legitimierung war“ (164), der den vor Ort verankerten Mythos weiter zementiert habe. Der Mythos besteht für Fischer in der Annahme, dass mit der Bombardierung Dresdens ein Zerstörungsschlag gegen eine unschuldige Kunst- und Kulturstadt ausgeführt wurde. Der Autor stellt auch in Westdeutschland eine entschuldete Geschichtsdeutung fest, nach der die Konfrontation mit den Verbrechen des Nationalsozialismus in Bezug auf Dresden durch ein Erinnerungssubstitut ersetzt worden sei. Nach der Wiedervereinigung verbanden sich diese Opfererzählungen und Dresden entwickelte sich zu einem gesamtdeutschen Ort des Gedenkens. Für Fischer ist der städtische Raum der ideale Ort für die Materialisierung der nationalen Erinnerung.
Marinke Gindullis (MG)
Politikwissenschaftlerin.
Rubrizierung: 2.35 Empfohlene Zitierweise: Marinke Gindullis, Rezension zu: Henning Fischer: "Erinnerung" an und für Deutschland. Münster: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/33929-erinnerung-an-und-fuer-deutschland_40660, veröffentlicht am 04.08.2011. Buch-Nr.: 40660 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken