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Lucie Filipová

Erfüllte Hoffnung. Städtepartnerschaften als Instrument der deutsch-französischen Aussöhnung, 1950-2000

Göttingen u. a.: Vandenhoeck & Ruprecht 2015 (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz 237); 409 S.; 80,- €; ISBN 978-3-525-10139-1
Diss. Prag; Begutachtung: J. Pesek. – Lucie Filipová fragt, welche Rolle deutsch‑französische Städte‑ und Gemeindepartnerschaften nach dem Zweiten Weltkrieg und bis über die deutsche Wiedervereinigung hinaus gespielt haben, um zu einer Annäherung der – so darf man heute sagen – ehemaligen Erzfeinde beizutragen. Frühe Institutionalisierungen ihres Forschungsgegenstandes liegen in der deutsch‑französischen Bürgermeisterunion, die den Weg für konkrete kommunale Partnerschaften geebnet hat. Anhand von epochenspezifischen Fallstudien, für die Filipová vornehmlich bislang unveröffentlichtes Archivmaterial ausgewertet hat, nimmt sie eine Periodisierung der Geschichte der Gemeindepartnerschaften vor. Diese weist insgesamt fünf Phasen auf, die – wenig überraschend – von einer Annäherungs‑ über eine Etablierungsphase bis hin zu einer Phase gänzlich „neuer Umstände“ (13) reichen. Als Fallstudie für die Anfangsphase wird die Partnerschaft von Mainz und Dijon analysiert, die im Jahr 1958 begründet worden war. In der Folgezeit, ab Mitte der 1960er‑Jahre, differenziert sich das Bild aus: Städte gehen Partnerschaften wegen Parallelen ihrer Standorte – etwa als Hafenstädte, wie im Fall von Duisburg und Calais – ein, aber auch, wenn sie jeweils Grenzorte sind. Partnerschaften werden dabei nicht nur zwischen mittleren und großen Städten geschlossen, sondern auch zwischen kleinen Gemeinden von unter zehntausend Einwohnern. Spannend ist zudem die Beobachtung, dass neben französisch‑westdeutschen auch französisch‑ostdeutsche Partnerschaften bestanden. Calais, das seit 1964 eine Städtepartnerschaft mit Duisburg unterhielt, ging eine solche 1971 auch mit Wismar ein. Vor diesem eigentlich trilateralen Hintergrund deutsch‑französischer Städtepartnerschaften stellt sich in der Tat die Frage nach dem Neuen, das nach 1990, mit der Wiedervereinigung, eingesetzt hat. Filipová sieht einen Grund dafür, warum die zur Wendezeit 1.600 Kooperationen zahlenmäßig stagnierten, unter anderem darin, dass in französischen Kommunen zunehmend der Front National Fuß gefasst habe, was deutsche Partner vor einer Kooperation habe zurückschrecken lassen. Zudem spiegle sich in der bis 1995 andauernden Stagnation auch die nach der Wiedervereinigung insgesamt schwierige Lage zwischen beiden Staaten. Heute indes sei die deutsch‑französische Partnerschaft ein „unproblematischer Bestandteil“ (369) europäischer Realität, die maßgeblich, so Filipovás Einschätzung, auch zur Stabilisierung einer lange anhaltenden Friedensphase beigetragen habe und beitragen wird. Für andere, weniger friedliche Regionen könnten intensiv gepflegte Städtepartnerschaften somit ein produktives friedenspolitisches Instrument darstellen.
{LEM}
Rubrizierung: 4.24.214.222.3252.352.21 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Lucie Filipová: Erfüllte Hoffnung. Göttingen u. a.: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/40159-erfuellte-hoffnung_47524, veröffentlicht am 24.11.2016. Buch-Nr.: 47524 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken