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Nada Boškovska / Angelika Strobel / Daniel Ursprung (Hrsg.)

"Entwickelter Sozialismus" in Osteuropa. Arbeit, Konsum und Öffentlichkeit

Berlin: Duncker & Humblot 2016 (Zeitgeschichtliche Forschungen 48); 268 S.; 49,90 €; ISBN 978-3-428-14618-5
Das Bild von den gesellschaftlichen Realitäten in den staatssozialistischen Systemen des östlichen Europas erschien lange ähnlich monolithisch wie dasjenige der dortigen politischen Verhältnisse. Die jüngere Forschung (siehe etwa Buch‑Nr. 32032) hat demgegenüber die zahlreichen Ambivalenzen des „Beziehungsgeflecht[s] zwischen Individuum, formellen Institutionen […] und informellen gesellschaftlichen Netzwerken“ herausgestellt. An diese Forschungsposition schließt der Sammelband an, dessen Beiträge auf eine Tagung in Zürich im November 2011 zurückgehen. Sie bieten eine Bilanz entsprechender Forschungen der jüngeren Vergangenheit. In kulturwissenschaftlicher Perspektive wird anhand der titelgebenden Begriffe nach der „Systemstabilität“ (10) der untersuchten Staaten gefragt. Im Mittelpunkt steht dabei die Sowjetunion, der mehrere Beiträge gewidmet sind. Aber auch Bulgarien, Jugoslawien, Polen und Ungarn geraten in den Blick, ein Aufsatz strebt eine vergleichende Untersuchung der Großregion an. Der Regensburger Südosteuropahistoriker Ulf Brunnbauer arbeitet darin die großen Unterschiede zwischen den einzelnen Staaten des östlichen Europas (etwa mit Hinblick auf Mitbestimmungsrechte der Arbeiter, den Grad der Industrialisierung und damit die Tradition von Arbeiterschaft usw.), aber auch zahlreiche innere Disparitäten heraus. Gleichwohl lässt sich für die gesamte Region konstatieren, dass die vergleichbaren „strukturellen Ineffizienzen der staatssozialistischen Wirtschaftsordnung“ und die „systemimmanenten Widersprüchlichkeiten“ (46) der Herrschaftssysteme Ende der 1980er‑Jahre zum raschen Zusammenbruch der kommunistischen Herrschaft führten. Dabei hatte es etwa mit Blick auf die Anerkennung von Arbeitsleistungen oder den Ausbau von Konsummöglichkeiten durchaus Legitimitätsquellen gegeben, die freilich gerade in letzterem Fall schnell ins Gegenteil umschlagen konnten, eben wenn die staatlichen Versprechen nicht eingehalten wurden. Die Berner Historikerin Julia Richers zeigt so am Beispiel von Ungarn, wie der dort praktizierte sogenannte Gulaschkommunismus einerseits zur Systemstabilisierung beitrug, andererseits in Vielem einem „krisenhaften Improvisieren“ (259) entsprach.
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Rubrizierung: 2.61 | 2.22 | 2.25 Empfohlene Zitierweise: Martin Munke, Rezension zu: Nada Boškovska / Angelika Strobel / Daniel Ursprung (Hrsg.): "Entwickelter Sozialismus" in Osteuropa. Berlin: 2016, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39609-entwickelter-sozialismus-in-osteuropa_48234, veröffentlicht am 14.04.2016. Buch-Nr.: 48234 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken