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Jürgen Angelow

Entsorgt und ausgeblendet. Elitenwechsel und Meinungsführerschaft in Ostdeutschland

Potsdam: WeltTrends 2015; 168 S.; 13,90 €; ISBN 978-3-945878-04-0
„Wir sind von der inneren Einheit gegenwärtig immer noch sehr weit entfernt und entfernen uns immer weiter, wenn wir im Umgang zwischen Ost‑ und Westdeutschland nicht zu einem integrativen Ansatz finden.“ (18) Diese These dient dem Historiker und Publizisten Jürgen Angelow als Ausgangspunkt, um die deutsch‑deutsche Wiedervereinigung einer fundamentalen Kritik zu unterziehen. Zentraler Gegenstand sind die ostdeutschen Eliten, deren Schicksal der Autor als Indiz für den Erfolg des Vereinigungsprozesses heranzieht. Zunächst werden idealtypische Charakteristiken der für den Zeitraum relevanten Generationen und privilegierten Schichten in der Bundesrepublik und DDR gegenübergestellt, um die unterschiedlichen, aber nicht entgegengesetzten Lebensrealitäten zu skizzieren. Dem „historischen Normalfall“ von „Einbeziehung und Verschmelzung durch Erfahrungswandel, Anpassung und Arrangements“ (59) stellt Angelow die „massenhafte Aussonderung der ostdeutschen Eliten“ (61) gegenüber, die mit sozialem Abstiegsrisiko, politisch und kultureller „Überformung und Enteignung“ (155) und einer „Grundtendenz der Erniedrigung“ (75) konfrontiert gewesen seien. Der Autor veranschaulicht diese Behauptungen anhand der Veränderungen des Wissenschaftssystems und der medialen Berichterstattung über die Ostdeutschen, welche ein „möglichst uniformes und von negativen Stereotypen beherrschtes Bild von der DDR“ (118) gezeichnet habe. Die vielfältigen Erfahrungswelten der ehemaligen DDR‑Bürger_innen zu berücksichtigen sei aber die Bedingung dafür, ihnen eine selbstkritische Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie zu ermöglichen. Nur so könne ein gesunder Erfahrungsaustausch zwischen den Generationen und eine Versöhnung zwischen Opfern und Tätern der SED‑Diktatur stattfinden. Gerade weil im Kontext des Erstarkens rechter Positionen in Deutschland wieder verstärkt auf eine ostdeutsche Dimension des Problems verwiesen wird, liefert der Autor auch zur Erklärung aktueller Entwicklungen relevante Denkanstöße. Dennoch ist das Buch durch seinen vorwurfsvollen Ton und die allzu pauschalisierende Medienkritik von einer neutralen Untersuchung des Elitenwandels im Zuge der Wiedervereinigung weit entfernt.
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Rubrizierung: 2.3312.3142.3152.3332.35 Empfohlene Zitierweise: Sven-Jacob Sieg, Rezension zu: Jürgen Angelow: Entsorgt und ausgeblendet. Potsdam: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39540-entsorgt-und-ausgeblendet_47992, veröffentlicht am 17.03.2016. Buch-Nr.: 47992 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken