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Michael Liebig

Endogene Politisch-Kulturelle Ressourcen. Die Relevanz des Kautilya-Arthashastra für das moderne Indien

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2014 (Moderne Südasienstudien – Gesellschaft, Politik, Wirtschaft 1); 428 S.; brosch., 79,- €; ISBN 978-3-8487-1133-8
Diss. Frankfurt; Begutachtung: J. Borchert, T. Allert, S. K. Mitra. – Michael Liebig untersucht, welchen Einfluss das Kautilya‑Arthashastra auf das „politisch‑strategische Denken des zeitgenössischen Indien“ (13) hat. Das Kautilya‑Arthashastra ist eine staatstheoretische Schrift aus dem dritten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung, die – sieht man von der Erwähnung in Pipers Handbuch der Politischen Ideen und im Handbuch Staatsdenker ab – im Westen kaum rezipiert worden ist. Zu Unrecht, wie Liebig betont, denn beim Kautilya‑Arthashastra handele es sich um einen im Vergleich zu den Schriften von Sun Tsu oder Thukydides nicht minder bedeutsamen Text. Liebig unternimmt, aufgrund der geringen Bekanntheit des Textes nur folgerichtig, den kombinierten Versuch eines an Max Weber angelegten „deutenden Verstehens“ (17) des Textes sowie der Projektion seiner zentralen Inhalte auf das moderne Indien. Teil B der Dissertation widmet sich vor diesem Hintergrund ausführlich der inhaltlichen Rekonstruktion des Werkes, dessen aus dem Sanskrit stammender Titel Arthashastra „als ‚Lehrbuch der Politik’ oder ‚Kompendium der Staatskunst’ oder ‚Handbuch der politischen Ökonomie’ übersetzt“ (108) werden kann. Die Autorenschaft Kautilyas – für den „verlässliche biographische Daten“ (112) fast völlig fehlen – bleibt, so Liebig, zumindest umstritten. Denn es bestehe die Möglichkeit, dass der Text von ihm verfasst worden sei, wie es ebenso denkbar sei, dass es sich um eine Kompilation verschiedener Textfragmente handele. Das in 15 Bücher mit insgesamt 150 Kapiteln gegliederte Werk „behandelt Staatsphilosophie, Staatsführung, Staatsverwaltung, Recht, Diplomatie und Außenpolitik, Geheimdienste und Militärwesen“ (114). Es vertritt den Anspruch einer „umfassenden Gesamtdarstellung des politischen Lebens“ (115) aus theoretisch‑idealtypischer Perspektive, die die Staatsform der Monarchie favorisiert. In die Darstellung sind Kautilyas persönliche Erfahrungen im praktischen Umgang mit der Politik eingeflossen, sodass es sich nicht um eine politische Utopie handelt. Mit Blick auf das moderne Indien stellt Liebig fest, dass Kautilyas Handbuch seit der letzten Jahrtausendwende wieder eine verstärkte sozialwissenschaftliche Rezeption erfahren hat. Als endogene politisch‑kulturelle Ressource ist es nicht nur für den universitären Diskurs relevant, sondern auch weit darüber hinaus, sodass künftig, so Liebigs Einschätzung, auch kein westliches Staatslexikon oder Handbuch, das für sich ein Mindestmaß an Seriosität beansprucht, auf die Erwähnung des Kautily‑Arthashastra wird verzichten können. Die Welt wird in der Tat globaler.
{LEM}
Rubrizierung: 5.34 | 5.42 | 5.2 | 2.68 | 2.23 | 2.24 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Michael Liebig: Endogene Politisch-Kulturelle Ressourcen. Baden-Baden: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38143-endogene-politisch-kulturelle-ressourcen_46539, veröffentlicht am 05.03.2015. Buch-Nr.: 46539 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken