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Arno Pilgram / Lorenz Böllinger / Michael Jasch / Susanne Krasmann / Cornelius Prittwitz / Herbert Reinke / Dorothea Rzepka (Hrsg.)

Einheitliches Recht für die Vielfalt der Kulturen? Strafrecht und Kriminologie in Zeiten transkultureller Gesellschaften und transnationalen Rechts

Wien/Berlin: Lit 2013 (Schriften zur Rechts- und Kriminalsoziologie 4); 398 S.; 34,90 €; ISBN 978-3-643-50216-2
Die Autor_innen der Beiträge des interdisziplinär zwischen den Rechts‑ (Kriminologie) und Sozialwissenschaften verorteten Sammelbandes gehen der überaus spannenden Frage nach, inwieweit eine kulturell, sozial und politisch heterogene Welt überhaupt einen nach einheitlichen Standards funktionierenden Rechtsraum, geschweige denn eine solche Rechtsvorstellung entwickeln kann. Ausgangspunkt der Überlegungen ist, so Arno Pilgram in seiner kurz gehaltenen Einleitung, die Vorstellung einer globalisierten Weltgesellschaft. In ihr tritt neben das nationale das transnationale Recht. Hinzu kommen weitere, regional spezifische Rechtstraditionen und neue, rechtlich schwer einzuschätzende Räume der Rechtsgeltung, die – wie etwa das Internet – jenseits des westlichen Modells eines demokratischen Verfassungsstaates angesiedelt sind, jedoch massiv in diesen einwirken. Zwar sei in diese Gemengelage hinein eine internationale Standardisierung des Rechts auszumachen – man denke etwa an den Internationalen Strafgerichtshof –, jedoch würden immer wieder einige, global mehr oder minder bedeutende, Nationalstaaten aus diesen Strukturen ausscheren. Auf der Basis dieses unüberschaubaren und auch unbefriedigenden Befunds adressieren die Autor_innen drei Problemfelder: In einer ersten Gruppe von Beiträgen wird aus rechtswissenschaftlicher Perspektive der Versuch einer Bestandsaufnahme der Internationalisierung des Rechts unternommen. So untersucht Claudia Stubler das innerinstitutionelle Arrangement des Internationalen Strafgerichtshofes und kritisiert dabei unter dem Begriff des „Darüber‑Stülpens“ (147) eine mangelnde Sensibilität für postkoloniale Befindlichkeiten im Rahmen der Schaffung und Implementierung solcher Strukturen. In einer zweiten Gruppe von Aufsätzen geht es aus soziologischer Perspektive um die zunehmende (Binnen‑)Diversität von Gesellschaften, etwa mit Blick auf unterschiedliche Strafverständnisse. Schließlich werden in der dritten Gruppe von Beiträgen aktuelle Probleme internationaler Strafverfolgung thematisiert, insbesondere solche, die mit persönlichen Freiheitsrechten kollidieren – Internetspionage hätte hier ein spannendes Thema sein können. Da die Beiträge auf die Tagung „Einheitliches Recht für die Vielfalt der Kulturen?“, die im April 2010 in Wien stattgefunden hat, zurückgehen, darf man das Fehlen dieses Aspekts dem ansonsten gehaltvollen Band jedoch nicht ankreiden.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.21 | 4.42 | 4.3 | 4.41 | 3.4 | 2.323 | 2.36 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Arno Pilgram / Lorenz Böllinger / Michael Jasch / Susanne Krasmann / Cornelius Prittwitz / Herbert Reinke / Dorothea Rzepka (Hrsg.): Einheitliches Recht für die Vielfalt der Kulturen? Wien/Berlin: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36258-einheitliches-recht-fuer-die-vielfalt-der-kulturen_44366, veröffentlicht am 02.10.2013. Buch-Nr.: 44366 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken