Der Titel des Sammelbandes ist zwar noch mit einem Fragezeichen versehen, aber der Tenor der Beiträge attestiert der deutschen Politik zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung alle Zeichen von Normalität. Entstanden aus zwei vom Herausgeber koordinierten Veranstaltungen der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit unternehmen die Autorinnen und Autoren eine Bilanzierung der Folgen der deutschen Einheit. Teils direkt, teils indirekt geht es in den Beiträgen um Fragen der gesellschaftlichen Identität, die sich in öffentlichen Debatten wie in Meinungsumfragen in durchaus konkurrierenden Deutungen niederschlagen. Mit Blick auf sozioökonomische Parameter verlaufen Kontroversen zwischen Behauptungen eines strukturellen West‑Ost‑Gefälles einerseits und der Entwicklung regionaler Disparitäten unabhängig von der Zugehörigkeit zu alten oder neuen Bundesländern andererseits. Komplementäre Kontroversen finden sich in der Einschätzung der politischen Kultur, die teils die Existenz zweier Teilkulturen, teils die Herausbildung übergreifender neuer Mentalitäten einer Berliner Republik unterstellen. Vor diesem Hintergrund lassen sich die Beiträge in zwei Gruppen einteilen: Einerseits werden institutionelle (Parteiensystem, Föderalismus) und issuebezogene (Außen‑, Wirtschafts‑, Umweltpolitik) Fragen diskutiert; andererseits befassen sich die Autor_innen mit unterschiedlichen Aspekten politischer Kultur (Einstellungen, Geschichtspolitik, Literatur). Von einer in der Tendenz normalen Republik – so die überwiegende Botschaft – lasse sich deshalb sprechen, weil im politisch‑institutionellen Bereich Kontinuität überwiege, während sich in der politischen Kultur eine – für moderne Gesellschaften typische – Pluralisierung abzeichne.