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Tillmann Höntzsch

Eine Analyse der Afghanistan-Strategie

Online-Publikation 2013 (http://d-nb.info/104534575X/34); 271 S.
Diss. Köln; Begutachtung: T. Jäger, W. Wessels. – Tillman Höntzsch analysiert die deutsche Afghanistan‑Strategie und fragt nach den Gründen für das Verfehlen der selbstgesetzten Statebuilding‑Ziele. Dabei betrachtet er auch die strategische Kohärenz des deutschen Vorgehens. Von einem kriegstheoretischen Ansatz aus, der anders als manche völkerrechtliche Herangehensweisen den Afghanistan‑Einsatz von Beginn an als Kriegseinsatz versteht, entwickelt Höntzsch unter Rückgriff auf Clausewitz und der von ihm geprägten Zweck‑Ziel‑Mittel‑Korrelation ein Modell strategischen Handelns, das als Grundlage seiner Analyse dient. Hinzugezogen wird dabei ein entsprechendes von Beckmann entwickeltes Mehrebenenmodell, dass die Clausewitz‘schen Überlegungen um die Ebene der Grand Strategy ergänzt – also einer politischen, diplomatischen und wirtschaftlichen Gesamtstrategie, die einem militärischen Vorgehen auf strategischer Ebene einen weitergehenden politischen Zweck voranstellt. Höntzsch zufolge sind angesichts veränderter sicherheitspolitischer Herausforderungen – er zieht hierzu unter anderem Münklers These der neuen Kriege und den erweiterten Sicherheitsbegriff heran – und multilateraler Statebuilding‑Interventionen diese Modifikationen von Clausewitz’ Strategieverständnis notwendig. Der Afghanistan‑Einsatz hat gezeigt, so ist der konkreten Analyse zu entnehmen, dass Deutschland nicht in der Lage war beziehungsweise ist, „im Clausewitzschen Verständnis sicherheitspolitisch kohärent zu agieren“ (248), also Grand Strategy – deren Vorhandensein der Autor bezweifelt – und Strategie in Einklang zu bringen. Aber es seien nicht nur die strategischen Absichten und das konkrete Engagement nicht kohärent gewesen, auch habe Letzteres nicht den vielfältigen Anforderungen in Afghanistan entsprochen. Das Statebuilding‑Ziel sei deshalb nicht erreicht worden. Als ein konkretes Beispiel nennt der Autor den Aufbau der Polizei unter deutscher Verantwortung, Konzept wie eingesetzte Mittel seien unzureichend gewesen. Achillesferse einer jeden Untersuchung des Afghanistaneinsatzes bleibt die Frage nach dem politischen Sinn und Zweck der Präsenz am Hindukusch. Während der Sicherheitsgewinn durch einen erfolgreichen Einsatz als strategisches Motiv zwar eine geeignete Grundlage für eine Kosten‑Nutzen‑ beziehungsweise Zweck‑ Mittel‑Analyse ergibt, bleibt ungeklärt, ob dieses Ziel aus politischer Sicht überhaupt gegeben war oder ob es zumindest nicht anderen Interessen, die zum Beispiel auf einen Nachweis der Bündnisfähigkeit und ‑solidarität Deutschlands abzielten, untergeordnet war.
Christian Patz (CPA)
M.A., Politikwissenschaftler, wiss. Mitarbeiter, Institut für Sozialwissenschaften, Fachbereich Politikwissenschaft, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
Rubrizierung: 4.21 | 2.68 Empfohlene Zitierweise: Christian Patz, Rezension zu: Tillmann Höntzsch: Eine Analyse der Afghanistan-Strategie 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37182-eine-analyse-der-afghanistan-strategie_45560, veröffentlicht am 12.06.2014. Buch-Nr.: 45560 Rezension drucken