Skip to main content
Kofi Annan

Ein Leben in Krieg und Frieden. Aus dem Englischen von Klaus-Dieter Schmidt

München: Deutsche Verlags-Anstalt 2012; 463 S.; 26,99 €; ISBN 978-3-421-04457-0
Kofi Annans Lebensbericht könnte man durchaus als einen kritischen Rechenschaftsbericht zum Zustand der Vereinten Nationen aus der Sicht eines Mannes verstehen, der vierzig Jahre für diese Organisation gearbeitet hat und schließlich nach zwei Amtszeiten als Generalsekretär 2006 ausgeschieden ist. Die „Träume eines Realisten“ (445) – wie Annan den Epilog seines Buches betitelt – handeln davon, die Kluft überbrücken zu können zwischen dem als notwendig erkannten Handeln und dem manchmal sehr deutlichen Unwillen der organisationsinternen und ‑externen Akteure, diesen Erkenntnissen auch die geeigneten Maßnahmen folgen zu lassen. Allerdings zieht sich die Kritik sowohl an den Mitgliedstaaten als auch an der Organisation selbst wie ein roter Faden durch diesen Bericht. Denn eines der Ereignisse, bei denen die genannte Kluft nicht überbrückt wurde, war der Völkermord in Ruanda. Und so konnte der UN‑Generalsekretär Annan in seiner Rede vor dem ruandischen Parlament 1998 nur noch ein Schuldeingeständnis der Vereinten Nationen als Organisation formulieren und deren Mitglieder kritisieren: „Wir müssen zugeben, dass die Welt Ruanda angesichts des Bösen im Stich gelassen hat. Die Weltgemeinschaft und die Vereinten Nationen konnten nicht den politischen Willen aufbringen, sich ihm entgegenzustellen. [...] Ruandas Tragödie war eine Tragödie der Welt.“ (100) Annan war sowohl als Generalsekretär als auch im Rahmen seiner Verwendung im Department of Peacekeeping Operations an allen wichtigen Missionen beteiligt und musste immer wieder ihr Scheitern beobachten, sei es in Ruanda, in Somalia oder in Bosnien und Herzegowina. Dort hatte – wie Annan bitter schreibt – nicht der Massenmord in Srebrenica mit seinen mutmaßlich 8.000 Toten die Weltgemeinschaft zum Eingreifen veranlasst, sondern ein Mörsereinschlag in Sarajewo, der knapp 40 Tote forderte. Mit der Erfahrung aus Ruanda sowie Bosnien und Herzegowina trat Annan als neuer Generalsekretär 1997 deshalb mit einem ambitionierten Programm an: „Die Staatenorganisation musste sich wieder auf die Rechte und den Schutz der Völker besinnen, in deren Namen ihre Charta geschrieben worden war.“ (110) Für Annan waren diese Rechte und der Schutz nicht nur mit Verhandlungen und Verlautbarungen durchzusetzen, sondern mit einer Diplomatie, die gegebenenfalls auch militärische Instrumente anwendet. Letztendlich hat der Realist Annan dieses Ziel nicht erreicht. Zuletzt scheiterte er 2012 als Sonderbeauftragter für Syrien an dem ihm sehr vertrauten Gegensatz: dem Erkennen, dass die Weltgemeinschaft in der Pflicht steht, und den Interessen der Mitgliedstaaten, die sich dieser Verpflichtung entziehen wollen.
Axel Gablik (AG)
Dr., Historiker.
Rubrizierung: 4.1 | 4.3 | 4.4 Empfohlene Zitierweise: Axel Gablik, Rezension zu: Kofi Annan: Ein Leben in Krieg und Frieden. München: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36198-ein-leben-in-krieg-und-frieden_44078, veröffentlicht am 19.09.2013. Buch-Nr.: 44078 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken