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Willi Baer / Karl-Heinz Dellwo (Hrsg.)

Diktatur und Widerstand in Chile

Hamburg: LAIKA Verlag 2013 (Bibliothek des Widerstands 29); 355 S.; 29,90 €; ISBN 978-3-942281-65-2
Die Bibliothek des Widerstands baut ihren Schwerpunkt Chile weiter aus. Neben den bereits erschienenen Bänden zur Person Allendes, zur chilenischen radikalen Linken während (siehe Buch‑Nr. 41018) und nach (siehe Buch‑Nr. 44581) der Phase der unmittelbaren Diktatur enthält dieser Band eine minutiöse Chronik der militärischen Auseinandersetzungen rund um den Putsch. Die Autoren zeigen die organisatorischen Schwachpunkte und die monatelange Unfähigkeit der linken Kräfte, entschlossen zu reagieren. Obwohl eine „politische Investition der Führung der KP in die militärische Arbeit praktisch nicht existierte“ (190), war diese Paralyse dennoch nur zur Hälfte ein hausgemachtes Problem, denn die ganze Brutalität und überrollende Effizienz der lange vorbereiteten Übernahme der Staatsgewalt durch das Militär war vor dem tatsächlichen Putsch unvorstellbar. All die tiefgreifenden Veränderungen der dreijährigen Amtszeit Allendes verpufften in der „Konterrevolution“ des Neoliberalismus, der die allgemeine Orientierungslosigkeit nutzte, „von der gesellschaftlichen Bedeutungslosigkeit zur politischen Allmacht“ (330) aufzusteigen. Besondere Beachtung schenken die Autoren den Beziehungen der beiden deutschen Republiken zu Chile. Diese bewegen sich vor dem Hintergrund des Kalten Kriegs aber in vorhersehbaren Bahnen: Der BND und politische Offizielle der Bundesrepublik deckten den Putsch, das Ministerium der Staatssicherheit der DDR versorgte den Widerstand mit Geldern, Pässen und Infrastruktur. Mit der im Band enthaltenen Debatte über die Rückwirkungen der Ereignisse in Chile gelingt es dann, gängige Dichotomien abzubauen. Übliche Diskussionen über Vor‑ und Nachteile friedlicher und gewaltsamer Revolutionen, über Grenzen der Bündnispolitik mit der Mittelschicht oder über Möglichkeiten eines radikalen gesellschaftlichen Umbaus verlieren im Angesicht der schieren Gewalt und Eindeutigkeit der neoliberalen Reaktion all ihre Substanz und verlangen nach einem Neuanfang im Bereich der Theorien der Revolution. Deutlich wird dabei auch, dass es Allende nach seinem Wahlsieg nicht nur trotz, sondern gerade wegen des demokratischen Charakters seiner linken Regierung von Anfang an systematisch verwehrt bleiben musste, die repressiven Staatsapparate wirklich unter Kontrolle zu stellen.
Florian Geisler (FG)
B. A., Politikwissenschaftler, Student, Goethe Universität Frankfurt am Main.
Rubrizierung: 2.652.22.252.3132.3152.331 Empfohlene Zitierweise: Florian Geisler, Rezension zu: Willi Baer / Karl-Heinz Dellwo (Hrsg.): Diktatur und Widerstand in Chile Hamburg: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37664-diktatur-und-widerstand-in-chile_44580, veröffentlicht am 16.10.2014. Buch-Nr.: 44580 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken