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Thomas Gutmann / Bodo Pieroth (Hrsg.)

Die Zukunft des staatlichen Gewaltmonopols

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2011 (Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft – Neue Folge 9); 91 S.; 24,- €; ISBN 978-3-8329-6187-9
Allein schon die Tatsache, dass den Band kein bei vergleichbaren Publikationen allzu oft obligatorisches Fragezeichen ziert, mit dem die Entscheidungs- und Handlungskompetenz staatlicher Exekutive in Zeiten der Globalisierung kleingeredet werden soll, macht diese Sammlung von fünf Aufsätzen interessant. Im Kern geht es in allen Beiträgen um verschiedene Aspekte der Zukunftsfähigkeit des staatlichen Gewaltmonopols in Zeiten internationaler Verflechtung und intranationaler Individualisierung. Die herausstechendste unter den fünf angebotenen Perspektiven – das soll die anderen vier in keiner Weise schmälern – ist die von Massimo La Torre, der anlässlich der Verleihung des Humboldt-Forschungspreises gleichsam mit diesem Band geehrt wird. La Torres Beitrag (in englischer Sprache verfasst) kreist um die klassische Trias der Staatswissenschaft – um den, wie Sièyes das genannt hat, pouvoir constituant und den pouvoir constitué sowie um einen nicht minder problematischen Begriff, den des Ausnahmezustandes. La Torre bezieht sich in seiner Bestimmung dieses problematischen Verhältnisses auf die von Ulrich K. Preuß formulierte Feststellung, wonach „a constitution constitutes a political community" (12). Damit sind sowohl die verfassungsmäßigen Institutionen wie auch die Bürger als souveräne Aktivkörperschaften in eine gemeinsame politische Praxis eingebunden. Der Ausnahmezustand beschreibt nun diejenige Praxis der politischen Institutionen, die eintritt, wenn diese ihre verfassungsmäßigen Kompetenzen – also die des Normalzustandes – entgegen grundrechtlicher Interessen der Bürger – etwa Habeas corpus – übertreten. La Torre rekurriert hier auf den französischen Staatsrechtler Michel Troper, der ziemlich reißerisch, dafür analytisch aber kaum zielführend den Abgesang auf den Ausnahmezustand eingeläutet hat: „There is nothing exceptional about the state of exception.“ (21) Wenn dem so wäre, so müsste man Troper – und auch La Torre fragen – warum der Ausnahmezustand dann für eine repräsentativ-demokratische Regierung gegenüber ihren Bürgern als so hochgradig begründungspflichtig erscheint. Wäre er nur eine alternierende Normalität im Korridor einer pfadabhängigen Entwicklung, wäre er qualitativ von Normalität nicht zu unterscheiden. Schon diese kontroverse, jedoch für die Fortentwicklung repräsentativer Demokratien entscheidende Frage – man denke an den Alarmzustand in Spanien 2010 – gilt es weiter zu erörtern, und zu dieser Erörterung lädt der Band auf sehr konstruktive Weise ein.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.41 | 2.21 | 2.2 | 4.1 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Thomas Gutmann / Bodo Pieroth (Hrsg.): Die Zukunft des staatlichen Gewaltmonopols Baden-Baden: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/21942-die-zukunft-des-staatlichen-gewaltmonopols_40555, veröffentlicht am 23.06.2011. Buch-Nr.: 40555 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken