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Joachim Schild / Henrik Uterwedde (Hrsg.)

Die verunsicherte Französische Republik. Wandel der Strukturen, der Politik – und der Leitbilder?

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2009; 223 S.; brosch., 39,- €; ISBN 978-3-8329-4146-8
Das Scheitern des EU-Verfassungsreferendums und die Straßenschlachten zwischen Jugendlichen und Polizei in den Banlieus 2005 sind Ereignisse, die eine Diskrepanz zwischen dem politischen Diskurs und der tatsächlichen (oder der notwendigen) Politik sichtbar machten. Diese Diskrepanz ist ein zentrales Thema in den Beiträgen, die auf eine Tagung in Otzenhausen im Juli 2007 zurückgehen. Den Autoren fällt mit Blick auf verschiedene Politikbereiche auf, dass die Diskurse von Leitbildern geprägt sind, „die sich aus der Tradition des Republikanismus und dem daraus begründeten hohen Steuerungsanspruch des Staates ableiten und sich insbesondere in einem militanten ökonomischen Antiliberalismus äußern“ (25), so die Herausgeber in ihrer Zusammenfassung der Analyseergebnisse. Damit einher gehe eine Selbst- und Fremdwahrnehmung von Reformblockaden. Diese Wahrnehmung stehe allerdings „im Gegensatz zum erheblichen Ausmaß struktureller Wandlungen der französischen Wirtschaft und Politik im Verlauf der letzten 25 Jahre“ (11). Ein Beispiel ist die Entwicklung der EU, mit der sich für und in Frankreich die Grenzen zwischen Staat und Markt verschoben haben, einschließlich eines weitreichenden nationalen Souveränitätsverzichts durch die Zentralisierung der Geldpolitik auf europäischer Ebene. In Frankreich aber sei dies nicht diskursiv verarbeitet und damit auch nicht politisch legitimiert worden, was „was nicht zuletzt im gescheiterten Verfassungsreferendum [...] politisch folgenreich zum Ausdruck“ (28) gekommen sei. In anderen Bereichen allerdings sei nicht nur der Diskurs nicht ausreichend fortgeschritten, auch Reformen seien nicht umfassend genug geplant oder wieder – nach Protesten – gestoppt worden. Als ein Beispiel wird die geplante Lockerung des Kündigungsschutzes für Jugendliche mit dem Ziel, ihnen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern, genannt. Auch die Idee einer positiven Diskriminierung sei nach wie vor tabuisiert, was die Entstehung der schwierigen Situation in benachteiligten Wohngebieten begünstigt habe. Die Jugendkrawalle seien deshalb auch Ausdruck eines Politikversagens.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.612.212.232.2622.263 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Joachim Schild / Henrik Uterwedde (Hrsg.): Die verunsicherte Französische Republik. Baden-Baden: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/30808-die-verunsicherte-franzoesische-republik_36606, veröffentlicht am 02.09.2009. Buch-Nr.: 36606 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken