Skip to main content
Paul Lendvai

Die Ungarn. Ein Jahrtausend. Sieger in Niederlagen

München: C. Bertelsmann 1999; 634 S.; 49,90 DM; ISBN 3-570-00218-7
In 35 chronologisch geordneten Kapiteln zeichnet der Publizist Lendvai die wichtigsten Etappen der ungarischen Geschichte von der Landnahme bis zum Tod Kádárs nach. Mit unverhohlener Sympathie, aber auch mit der kritischen Distanz eines "56er-Ungarn" - der Verfasser lebt seit 1957 in Wien - schildert er das wechselvolle Schicksal der Ungarn. Die gut lesbaren und an gleichermaßen witzigen wie erhellenden Anekdoten reichen Ausführungen bieten jenseits der politischen Geschichte Einblicke in das kollektive Selbstverständnis eines nicht nur wegen seiner Sprache exzeptionellen Volkes in Europa. Lendvai gelingt es, die anschauliche Darstellung der Höhe- und Tiefpunkte der ungarischen Geschichte mit einer knappen Analyse der jeweiligen Ursachen zu verbinden. Dabei werden auch manche Kontinuitäten in Politik und Gesellschaft sichtbar, so etwa die fortbestehenden Spannungen zwischen weltoffenem städtischen Liberalismus und einem völkisch angehauchten Nationalismus. Ob die Kontinuität über 1100 Jahre hinweg aber so weit reicht, die Ungarn zu "Sieger[n] in Niederlagen" zu machen (so der Untertitel), darf bezweifelt werden. Der Verfasser setzt gleichwohl immer wieder die richtigen Akzente und bemüht sich um ein differenziertes Bild von Personen und Ereignissen, so etwa bei der Auseinandersetzung mit Reichsverweser Horthy und mit der Ära Kádár. Um so bedauerlicher ist, daß ausgerechnet die 90er Jahre als das auf die ausgehandelte Revolution folgende bewegende Jahrzehnt der Transformation nicht mehr berücksichtigt sind. Zwar hat der kurzweilig geschriebene Band nicht die Ambitionen eines historischen Standardwerks, ganz auf den wissenschaftlichen Anspruch möchte er aber auch nicht verzichten, wie Anmerkungen, Sach- und Personenregister, eine knappe Auswahlbibliographie sowie eine hilfreiche Chronologie belegen. Eine spannende und anregende Lektüre ist er allemal - und das nicht nur für Ungarn-Kenner.
Michael Edinger (ME)
M. A., wiss. Mitarbeiter, Sonderforschungsbereich 580, Universität Jena (www.uni-jena/svw/powi/sys/edinger.html).
Rubrizierung: 2.62 Empfohlene Zitierweise: Michael Edinger, Rezension zu: Paul Lendvai: Die Ungarn. München: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/10564-die-ungarn_12488, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 12488 Rezension drucken