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Christoph Buchheim / Edita Ivaničková / Kristina Kaiserová / Volker Zimmermann (Hrsg.)

Die Tschechoslowakei und die beiden deutschen Staaten

Essen: Klartext 2010 (Veröffentlichungen der Deutsch-Tschechischen und Deutsch-Slowakischen Historikerkommission 10; Veröffentlichungen zur Kultur und Geschichte im östlichen Europa 36); 282 S.; hardc., 29,95 €; ISBN 978-3-8375-0452-1
Über vierzig Jahre lang grenzte die Tschechoslowakei an zwei deutsche Staaten. Das in dieser Zeit entstandene Beziehungsgeflecht beschreiben tschechische, slowakische und deutsche Historiker als ein „Dreiecksverhältnis“ (22), das im Zeichen des Kalten Krieges stand und äußert kompliziert war: Tschechoslowakische und ostdeutsche Funktionäre und Bürger befanden sich gemeinsam im „‚sozialistischen Friedenslager’“ (9), eine allzu große Nähe zwischen den Repräsentanten und Bürgern der Tschechoslowakei und der Bundesrepublik sei deshalb verdächtig gewesen und habe das Misstrauen der DDR-Führung hervorgerufen. Weitere Trennungslinien galt es zu überwinden, nämlich die Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus und dem Krieg sowie mit Vertreibung und Zwangsaussiedlung der deutschen Minderheit nach 1945. Das daraus resultierende Misstrauen habe die Innen- und Außenpolitik in den drei Staaten und damit auch die Dreieckskonstellation beeinflusst, so die Herausgeber. Einige Aspekte dieses Verhältnisses wurden während einer Tagung der Deutsch-Tschechischen/-Slowakischen Historikerkommission bereits 2003 in Smolenice (Slowakei) erörtert, auf der der Band basiert. Beschrieben werden der Einfluss der sudetendeutschen Vertriebenen und ihrer Organisationen auf die westdeutsche Politik zur Tschechoslowakei, die tschechoslowakischen eigentumsrechtlichen Ansprüche gegenüber der Bundesrepublik und die tschechoslowakische Propaganda im Kalten Krieg. Aus diplomatiegeschichtlicher Perspektive wird die Dreiecksbeziehung in den 50er- und 60er-Jahren, werden die Ostpolitik Westdeutschlands gegenüber der Tschechoslowakei in den Jahren 1967 bis 1973 sowie die Wirtschaftsbeziehungen beider deutscher Staaten zur Tschechoslowakei betrachtet. Darlegungen zu den Systemzusammenbrüchen in der DDR und der Tschechoslowakei 1989, der tschechoslowakischen Außenpolitik in der Phase der deutschen Vereinigung und den deutsch-tschechischen Beziehungen seit 1990 folgt die Skizze der deutsch-tschechischen Beziehungen seit 1990. Erstmals, so Vladimir Handl, sei von einer „grundlegenden Interessenkongruenz“ (257) auszugehen, die auf der Zugehörigkeit der Länder zum Westen und ihrem Interesse an einer Stärkung des Multilateralismus basiert. Die „Asymmetrie der Machtpotenziale und das historische Gedächtnis“ (258) beeinflussten zwar weiterhin die beiderseitigen Beziehungen, aber die Herausbildung eines Netzwerkes multi- und bilateraler Bindungen, das im Rahmen des geteilten institutionellen und normativen Raumes von EU und NATO bestehe, trage zur Relativierung dieser Faktoren bei.
Sabine Steppat (STE)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 4.22 | 4.21 | 4.1 | 2.25 | 2.61 | 2.313 | 2.314 | 2.315 Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Christoph Buchheim / Edita Ivaničková / Kristina Kaiserová / Volker Zimmermann (Hrsg.): Die Tschechoslowakei und die beiden deutschen Staaten Essen: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/33637-die-tschechoslowakei-und-die-beiden-deutschen-staaten_40284, veröffentlicht am 20.10.2011. Buch-Nr.: 40284 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken