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Walter Reese-Schäfer / Samuel Salzborn (Hrsg.)

"Die Stimme des Intellekts ist leise". Klassiker/innen des politischen Denkens abseits des Mainstreams

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2015 (Schriftenreihe der Sektion Politische Theorie und Ideengeschichte in der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft 30); 378 S.; 69,- €; ISBN 978-3-8487-2054-5
Im Mittelpunkt des Bandes steht die Frage, wie bestimmte Autoren im Rahmen der Ideengeschichtsschreibung und unter konsensuellen Bedingungen in den Rang eines Klassikers gelangen können: „Es geht insofern darum, die ideengeschichtliche Kanonbildung und damit die Rolle der ‚eingeführten Autoritäten‘ [...] in ihrem prozessualen und diskursiven Charakter zu analysieren.“ (8) Mit dem Adjektiv „leise“ im Titel (auf Freud zurückgehend) soll angedeutet werden, dass die „vergessenen“ Autoren dennoch „hörens‑ und beachtenswert“ sind: „Zentral ist dabei die Verbindung von (zeitweiser) Marginalisierung bei gleichzeitigem kreativem Innovationspotential für die Theoriediskussion.“ (9) Individuelle, soziale und rezeptionelle Faktoren spielen demnach eine Rolle, ob ein Autor zum Klassiker wird oder nicht. Der Band ist in zwei Bereiche aufgegliedert. Im ersten Teil werden theoretische und methodologische Aspekte der Klassikerkanonisierung behandelt. Die Herausgeber schreiben, dass die Grundintention des Bandes „das Antesten der Kanongrenzen“ (15) enthält. In einem weiteren Aufsatz gehen Walter Reese‑Schäfer und Samuel Salzborn auf der Basis der Auswertung gängiger ideengeschichtlicher Lehr‑ und Einführungsbücher der Frage nach, wen die Politikwissenschaft eigentlich in den Rang eines Klassikers erhebt. Dabei wird ersichtlich, dass dies kein Automatismus aus den zitierten klassischen Texten an sich ergibt, sondern dass es ex‑post‑Vornahmen sind, die teilweise auch unbewusst erfolgen. Marcus Llanque arbeitet heraus, dass es nicht um Personen, sondern um Texte geht und ihre Kanonisierung Elemente eines „Deutungskampfes“ (42) mit sich führen. An drei Beispielen demonstriert Alexander Weiß, dass die Kanonbildung der westlichen Demokratietheorie durch Ansätze nicht‑westlicher Klassiker bereichert werden kann. Dies gilt auch für den Beitrag von Björn Goldstein, der am Beispiel der Inder Aurobindo Ghose und Erode Venkata Ramasami sowie des Chinesen Mengzi zeigt, dass „vermeintlich“ westliches Denken auch im „vermeintlichen Nicht‑Westen“ (163) angelegt sein kann. Sybille De La Rosa wirbt um eine Bereicherung des Kanons durch die Aufnahme „widerständige[r] Texte“ (133). Der zweite Teil dient der Exemplifizierung des Leitbildes des Gesamtbandes an zeitgenössischen und geistesgeschichtlichen Persönlichkeiten nicht minderer Wertigkeit, sondern geringerer Wertschätzung, wie etwa Ibn Khald?n, Hans Rosenberg, Anarcharsis Cloots, Arnold Brecht, Hanna F. Pitkin, Frantz Fanon, Michel Foucault / Panajotis Kondylis oder Cornelius Castoriadis.
{MOH}
Rubrizierung: 5.15.25.35.465.41 Empfohlene Zitierweise: MOH, Rezension zu: Walter Reese-Schäfer / Samuel Salzborn (Hrsg.): "Die Stimme des Intellekts ist leise" Baden-Baden: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39239-die-stimme-des-intellekts-ist-leise_47840, veröffentlicht am 07.01.2016. Buch-Nr.: 47840 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken