War die Stalin-Note von 1952 nur Propaganda? Dann müsste sich der Westen zumindest nicht nachträglich fragen, ob er zu leichtfertig die Möglichkeit einer deutschen Wiedervereinigung ausschlug. Der Historiker Loth aber vertrat in seiner 1994 erschienenen Studie die These, Stalins Deutschlandpolitik sei tatsächlich gesamtdeutsch angelegt gewesen, und wurde anschließend geradezu angefeindet. In diesem Buch antwortet Loth auf seine Kritiker, widerlegt sie (anhand von Dokumenten) und analysiert auf der Basis neu editierter Aktenbestände die Intentionen, die der sowjetischen Deutschlandpolitik in den fünfziger Jahren zugrunde lagen. Ausführlich wird etwa das langwierige Zustandekommen der Stalin-Note erläutert sowie abgewogen, wie ernst es der Diktator mit dem Angebot meinte, Deutschland als neutralen Staat wiederzuvereinen – ähnlich wie Österreich. Wichtig ist der Hinweis auf die ureigensten Absichten Walter Ulbrichts, der im Gegensatz zu Stalin von Anfang an auf die Etablierung eines sozialistischen deutschen Teilstaates zusteuerte. Loths Analyse und sein Fazit, dass die Wiedervereinigung zu einem nichtsozialistischen Staat bis in die fünfziger Jahre hinein (über Stalins Tod hinaus) aus Sicht der Sowjetunion denkbar gewesen wäre, ist aufgrund der Quellen plausibel. Dadurch, dass er die sozialistischen Diktaturen nicht als monolithischen Block betrachtet, sondern die verschiedenen Absichten der Akteure wahrnimmt, schließt Loth Lücken in der Erklärung der damaligen Ereignisse. Angefügt werden könnte der Hinweis darauf, wie – scheinbar – überraschend schnell schließlich Gorbatschow die DDR preisgab. Offenbar bewegte er sich damit aber in einem schon vor Jahrzehnten definierten politischen Handlungsrahmen.