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Patrizia Hey

Die sowjetische Polenpolitik Anfang der 1980er Jahre und die Verhängung des Kriegsrechts in der Volksrepublik Polen. Tatsächliche sowjetische Bedrohung oder erfolgreicher Bluff?

Berlin: Lit 2010 (Studien zu Konflikt und Kooperation im Osten 19); 527 S.; 49,90 €; ISBN 978-3-643-10771-8
Sozialwiss. Diss. Mannheim; Gutachter: E. Jahn, W. C. Müller. – Im Dezember 1981 verhängte General Wojciech Jaruzelski das Kriegsrecht über Polen und beendete damit vorerst den Liberalisierungs- und Demokratisierungsprozess, der u. a. durch die Aktivitäten der Gewerkschaft Solidarność ausgelöst worden war. Letztere hatte den politischen Alleinherrschaftsanspruch der Partei infrage gestellt. Hat diese drastische Maßnahme Schlimmeres verhütet, nämlich eine von der Sowjetunion geführte Militärintervention? Mithilfe des Studiums sowjetischer, polnischer und auch ostdeutscher Primärquellen sowie einer Befragung von 49 polnischen und sowjetischen Zeitzeugen beantwortet Hey diese Frage in ihrer zeitgeschichtlichen, überaus fundierten Arbeit. Sie beschreibt die politische sowie ökonomische Entwicklung Polens nach 1945, geht ausführlich auf die Situation 1980/81 ein und arbeitet die Besonderheit der polnischen Krise im Vergleich zu den Krisen von 1956 in Ungarn und insbesondere 1968 in der CSSR heraus. Immer dann, wenn die Sowjetunion um ihre Hegemonialmacht im östlichen Mitteleuropa fürchtete, hatte sie sich militärischer Gewalt bedient, im widerstandserprobten Polen 1980/1981 sah sie von einer Intervention durch Warschauer Pakt-Truppen ab. Die Gründe hierfür seien vielfältig gewesen: So habe Moskau eine Erweiterung westlicher Handelsrestriktionen gefürchtet. Zudem habe der Afghanistan-Einmarsch das sowjetische Militär stark belastet, sodass die sowjetische Führung eine weitere Front in Polen vermeiden musste, um nicht an innenpolitischer Macht zu verlieren. Insgesamt hätte eine sowjetische Invasion für Moskau zu viele Risiken und Kosten bedeutet. Eine proaktive sowjetische militärische Intervention sei daher 1981 nicht ausdrücklich geplant gewesen. Die wirksamste Methode, auf Polen Druck auszuüben, habe darin bestanden, mit dem Einmarsch zu drohen, tatsächlich habe es sich aber um einen „Bluff gehandelt“ (347), der auf polnischer Seite nicht als solcher identifiziert worden sei. Das polnische Politbüro habe stets betont, die Krise im eigenen Land eigenständig lösen zu können und Jaruzelski habe Moskau daher zweimal um Einverständnis gebeten, das Kriegsrecht verhängen zu dürfen, lautet das Ergebnis dieser Arbeit.
Sabine Steppat (STE)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 4.22 | 2.62 | 2.61 Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Patrizia Hey: Die sowjetische Polenpolitik Anfang der 1980er Jahre und die Verhängung des Kriegsrechts in der Volksrepublik Polen. Berlin: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32713-die-sowjetische-polenpolitik-anfang-der-1980er-jahre-und-die-verhaengung-des-kriegsrechts-in-der-volksrepublik-polen_39053, veröffentlicht am 02.02.2011. Buch-Nr.: 39053 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken