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Christian Füller

Die Revolution missbraucht ihre Kinder. Sexuelle Gewalt in deutschen Protestbewegungen

München/Wien: Carl Hanser Verlag 2015; 280 S.; 21,90 €; ISBN 978-3-446-24726-0
Der Journalist Christian Füller versucht sich an einer Art Kulturgeschichte des pädophilen sexuellen Missbrauchs; damit ist das Buch quasi schon per Definition keine leichte Lektüre. Füller schreibt mal nüchtern‑distanziert, mal leidenschaftlich anklagend oder am konkreten Einzelschicksal orientiert. Er wolle „verstehen, wie Täter positive Ideen des Aufbruchs für Missbrauch nutzen“ (10), und beginnt diese Kulturgeschichte im antiken Griechenland mit der Idee der Knabenliebe. Den Schwerpunkt bildet aber ein kritischer Blick auf Reform‑ und Protestbewegungen in Deutschland, etwa den reformpädagogischen „Wandervogel“. Politikwissenschaftlich am interessantesten ist die in die Partei‑ wie Zeitgeschichte eingebundene Darstellung der pädosexuellen Strömungen in der damals jungen Partei der Grünen (siehe auch Buch‑Nr. 46560) sowie deren nach Ansicht des Autors halbherzige Aufarbeitung. Füller zeigt nicht nur Verbindungen der Partei zu einer Reihe verurteilter Sexualstraftäter auf; er argumentiert auch, es habe sich hier keineswegs bloß um ein randständiges Phänomen gehandelt: So hätten „Beschlüsse zur Strafbefreiung von sexuellem Kindesmissbrauch in elf Landes‑ und Kommunalprogrammen der Grünen Eingang gefunden“; Pädosexuelle hätten „bei den Grünen eine regelrechte Struktur errichtet“ (137) – sogar eine „von der Bundestagsfraktion finanzierte Arbeitsgruppe, die formell in die Parlamentsarbeit eingebunden war“ (139). Vertreter solcher Strömungen hätten vehement die sexuelle Befreiung der Gesellschaft (auch der Kinder) und zu diesem Zweck die Abschaffung des Sexualstrafrechts gefordert: „Es hätte die Auslieferung von Kindern und Jugendlichen bedeutet – unter der Maßgabe ihrer sexuellen Befreiung“ (139). Füller macht kein Geheimnis aus seiner Kritik am Umgang der heutigen Parteiführung mit dem Thema. Ebenfalls kritisch beleuchtet er die Forderungen von Netzaktivisten nach unbedingter Freiheit des Internets, selbst im Zusammenhang mit Missbrauch und Kinderpornografie (Stichwort: Zensursula). Für Füller ist diese Sicht auf das Netz „naiv und falsch“, gebe es doch Formen des Missbrauchs, „die nur im und durch das Netz möglich werden und stattfinden können“ (211). Der Autor schreibt nicht sperrig oder akademisierend, sondern journalistisch, bisweilen szenisch erzählend, ansprechend zu lesen – soweit das bei dieser Thematik möglich ist.
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Rubrizierung: 2.32.3312.3332.352.3112.3132.315 Empfohlene Zitierweise: Frank Kaltofen, Rezension zu: Christian Füller: Die Revolution missbraucht ihre Kinder. München/Wien: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39171-die-revolution-missbraucht-ihre-kinder_47151, veröffentlicht am 10.12.2015. Buch-Nr.: 47151 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken