
Die Relevanz der Zivilgesellschaft bei den postkommunistischen Transformationsprozessen in mittel- und osteuropäischen Ländern. Das Beispiel der spät- und postsowjetischen Ukraine 1986-2009
Diss. Freiburg i. B.; Begutachtung: B. Blinkert, H. Pompey. – An der Schnittstelle von soziologischer Zivilgesellschaftsanalyse und politologischer Transformationsforschung untersucht Mykhaylo Banakh die Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure in der Ukraine seit Beginn von Glasnost und Perestroika bis ins Jahr 2009. Im Zentrum steht die Frage, „ob die Zivilgesellschaft für Demokratisierung und für den Übergang zur freien Marktwirtschaft überhaupt relevant ist und ggf. in welchem Ausmaß sie zu dieser Transformation beiträgt“ (23). Die Quellenbasis umfasst ein breites Spektrum an offiziellen Verlautbarungen und amtlichen Statistiken über Satzungen und Berichte zivilgesellschaftlicher Organisationen sowie Expertengespräche bis hin zur Verarbeitung eigener Erfahrungen des ukrainischen Autors, der bis 1999 im Land lebte. Der Untersuchungszeitraum wird in fünf Phasen eingeteilt: in die der Liberalisierung (1986–1991), des „Versuches der Behauptung der Demokratie“ (28) (1991–1993), der Demokratisierung (1994–1996), der Zeit von Leonid Kutschma (1997–2004) sowie der Orangen Revolution und deren Nachwirkungen (2004–2009). Dabei analysiert Banakh auf der Basis der Fachliteratur zum sogenannten Dritten Sektor (siehe etwa Buch‑Nr. 13436 oder 23678) drei Ebenen: 1. die Gesellschaft allgemein, 2. zivilgesellschaftliche Organisationen und Vereine und 3. die individuelle Ebene der verschiedenen Gruppierungen und Individuen innerhalb dieser Organisationen. Immer wieder wird auch der Vergleich mit anderen ost(mittel)europäischen Ländern vorgenommen. Den Ausgangspunkt für wachsendes zivilgesellschaftliches Engagement in der Ukraine, aber auch in Belarus, bildeten demnach die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl am 26. April 1986 und der politische Umgang damit. Seit den 1990er‑Jahren sind dabei zunehmend „Spielräume für die gesellschaftliche Beteiligung und Selbstorganisation […] entstanden“. Dem „zivilgesellschaftlichen Widerstand“ (419) ist es mit zu verdanken, dass die angestrebte „Zementierung einer autoritären Präsidialherrschaft“ (2) durch Leonid Kutschma verhindert werden konnte. Insgesamt verfügt die Ukraine nach Ansicht des Autors im Vergleich zu anderen postsowjetischen Staaten über bessere Voraussetzungen, dauerhaft eine marktwirtschaftlich orientierte Demokratie aufzubauen.