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Mykola Rjabtschuk

Die reale und die imaginierte Ukraine. Essay. Aus dem Ukrainischen von Juri Durkot und mit einem Nachwort von Wilfried Jilge

Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2005 (edition suhrkamp 2418); 176 S.; 9,- €; ISBN 3-518-12418-8
Zu Beginn seines Essays spielt der Kiewer Schriftsteller und Journalist Rjabtschuk mit den Klischees. Er beschreibt die Ukraine als zwei Länder, im Westen einst geprägt durch Polen und Österreich-Ungarn, heute modern und demokratisch gesinnt. Im nach Sozialdaten rückständigen Osten dagegen hänge das Herz immer noch an Moskau und damit an einem autoritären Regime. Rjabtschuk lässt keinen Zweifel daran, dass er auf der Seite des demokratischen Westens steht, aber ganz so einfach will er es sich nicht machen: In einem Streifzug durch die ukrainische Geschichte löst er diese doch zu einfache Teilung des Landes auf, schildert die wechselhaften Beziehungen zum westlichen Europa und die anfangs selbst beförderte Vereinnahmung durch Russland. Am Ende bleibt ein Bild voller Widersprüche, in dem die „zwei Ukrainen“ (12) nicht neben-, sondern mit- und ineinander existieren. Rjabtschuk ist damit eine hervorragende Analyse gelungen, mit der sich auch die „orangene Revolution“ besser verstehen lässt. Es sei ein Kampf der beiden Alternativen gewesen, die der Ukraine zur Modernisierung zur Verfügung stünden, so der Autor: Der eher für den Westen des Landes stehende Reformer Juschtschenko befürworte einen Wandel nach „‚polnisch-litauischem‘ liberaldemokratischem Muster“ (143), der vom Osten unterstützte Janukowytsch den Kurs der Neosowjetisierung. Welches Szenario dauerhaft Realität werde, hänge von der Unterstützung durch die westlichen Länder ab, schreibt Rjabtschuk. Deren bisherige Ignoranz sei ungerecht, so als ob die Ukraine dafür bestraft werde, dass sie sich ohne Blutvergießen von Russland gelöst habe. „Wird den Ukrainern das Recht auf die Mitgliedschaft der EU abgesprochen, empfinden sie diese Geste folglich als Ablehnung ihrer europäischen, nicht russischen Identität überhaupt.“ (145)
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.61 | 2.2 | 2.23 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Mykola Rjabtschuk: Die reale und die imaginierte Ukraine. Frankfurt a. M.: 2005, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/24880-die-reale-und-die-imaginierte-ukraine_28760, veröffentlicht am 25.06.2007. Buch-Nr.: 28760 Rezension drucken