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Christian Wilhelm

Die politische Philosophie in den frühen Dialogen Platons

Berlin: Logos Verlag 2012; 289 S.; 42,50 €; ISBN 978-3-8325-3288-8
Diss. Kassel; Begutachtung: G. Heinemann. – Christian Wilhelm unternimmt den Versuch, der in seinen Augen in der Platon‑Rezeption bisher zu wenig ausgeprägten Bedeutungszuschreibung des Politischen, das noch dazu auf den Politikos, die Politeia und die Nomoi enggeführt werde, entgegenzutreten. Denn eine solche unzureichende Lesart, eine solche „Ignoranz“ (5) des Politischen bei Platon „ist falsch und steht einem umfassenden Verständnis der platonischen Theorie im Wege, weil Philosophie und Politik sowohl in Sokrates‘ als auch in Platons Augen nicht voneinander zu trennen sind.“ Eine strikte Trennung zwischen Politik und Ethik werde, so seine Argumentation, den platonischen Schriften nicht gerecht, da diese die Frage nach dem guten Leben gerade nicht in der Privatheit belassen, sondern aufs Engste mit dem Leben der Gemeinschaft verknüpft sehen. In einer detaillierten, textfokussierten Rekonstruktion der „politkê technê“ (6), also der Zusammenschau des Wissens über das Leben in der Gemeinschaft und des guten Lebens, unternimmt Wilhelm insgesamt vier große analytische Schritte, in denen er nicht nur die frühen Dialoge, sondern das gesamte Werk Platons durchschreitet. Der zentrale Fokus bleibt dabei immer auf der politkê technê, deren begriffliche wie konzeptionelle Varianzen zum analytischen Leitmotiv der Arbeit avancieren. Handelt es sich hierbei nun um ein konstitutives Element, das, ausgehend von den frühen Dialogen, das gesamte Werk Platons konzeptionell durchzieht? „Zusammenfassend lässt sich sagen“, so Wilhelm, „dass das Ideal und die Struktur der politkê technê aus den Frühdialogen, aber auch aus der Politeia und dem Politikos, in den Nomoi gültig bleibt. [...] Und die Polis wird keine eudaimonia erreichen, wenn in ihr keine freundschaftliche Einheit existiert und das Gemeinwohl nicht im Mittelpunkt der Bemühungen steht.“ (260) Wilhelm gesteht der platonischen Philosophie damit einen hohen Grad an Konsistenz und Stringenz zu, sie sei als „unitarisch‑entwickelnd“ (261) zu bezeichnen. Wahrhaft beeindruckend ist indes das Fazit: „Ein Gemeinwesen kann nur so gut sein wie die Bürger, aus dem [sic!] es besteht.“ (272) In einer Zeit, in der moderne Gesellschaften glauben, sich immer mehr Ausgrenzung erlauben zu können, ist das ein wahrhaft brisanter Satz.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.31 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Christian Wilhelm: Die politische Philosophie in den frühen Dialogen Platons Berlin: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37332-die-politische-philosophie-in-den-fruehen-dialogen-platons_45664, veröffentlicht am 24.07.2014. Buch-Nr.: 45664 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken