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Ulrich Franke

Die Nato nach 1989. Das Rätsel ihres Fortbestandes

Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2010; 337 S.; 49,95 €; ISBN 978-3-531-17773-1
Politikwiss. Diss. Frankfurt a. M.; Gutachter: G. Hellmann, J. Davis. – Dass es nach dem Ende des Ost-West-Konflikts nicht zu einer Auflösung der NATO gekommen ist, sondern das Bündnis weiter fortbesteht, sei „eines der großen Rätsel der politikwissenschaftlichen Teildisziplin der Internationalen Beziehungen“ (11). Der Fortbestand der NATO wurde zum Gegenstand zahlreicher Erklärungsversuche und lebhafter Debatten zwischen den verschiedenen Schulen der IB (insbesondere Neorealismus, Neoinstitutionalismus und liberalistischer Konstruktivismus). Franke nimmt hierauf Bezug und setzt sich kritisch mit den einzelnen Erklärungsansätzen auseinander. Er bezweifelt, dass das Thema „hinreichend, d. h. im Sinne einer systematischen Bearbeitung von empirischem Material, erforscht worden ist“ (50). Als Alternative zur positivistischen Forschung unternimmt er eine gegenstandsbezogene Analyse in Form von Textinterpretationen. Als Material dienen ihm schriftliche Verlautbarungen des Nordatlantikrates zu fünf ausgewählten Fällen (Nordatlantikvertrag, Bosnien, Veränderung der internen Strukturen, Irak und 50 Jahre NATO). Die NATO wird von ihm nicht als Akteur, sondern als Struktur kollektiven Handelns konzeptionalisiert, in die spezifische Handlungsprobleme und -regeln eingeschrieben sind. Aus dieser Perspektive, so der Autor, „entpuppt sich das Rätsel der NATO als eine Frage nach der Bedeutung, die ihr als Problemlösungsinstanz zugeschrieben wird“ (120). Aus den untersuchten Dokumenten konnte Franke fünf Handlungsprobleme und -kontexte rekonstruieren, anhand derer er den Fortbestand der NATO nach dem Ende der Blockkonfrontation erklärt. Eine entscheidende Bedingung sei das avantgardistische Selbstverständnis der NATO-Mitglieder, das sich aus einem Vorrat an Gemeinsamkeiten speise wie aus dem Bewusstsein einer gemeinsamen Vergangenheit und einer „tendenziell religiös gefärbten Sichtweise auf die Welt und sich selbst“ (318). Dazu gehöre ein weit gefasster Verteidigungsbegriff, der sich auf die Gewährleistung eines ganzen Lebensmodells erstrecke. Mit diesem Selbstbild präsentierten sich die atlantischen Partner als wirksamere Alternative zu den Vereinten Nationen, schreibt Franke: „Sie sind davon überzeugt, die Prinzipien der UN-Charta besser verwirklichen zu können und versuchen, die Legitimität der Allianz auf Kosten des UN-Sicherheitsrats zu erhöhen.“ (317)
Anke Rösener (AR)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 4.3 | 4.41 Empfohlene Zitierweise: Anke Rösener, Rezension zu: Ulrich Franke: Die Nato nach 1989. Wiesbaden: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/33214-die-nato-nach-1989_39709, veröffentlicht am 24.03.2011. Buch-Nr.: 39709 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken