Ohne Fachjargon gelingt es dem Münchner Soziologen Armin Nassehi erneut, sozialwissenschaftliche Diagnose und politische Botschaft – das Ende von „rechts“ und „links“ – zu präsentieren. Indes, weder dieser Befund noch dessen Begründung sind so neu nicht: Moderne meint hier den Prozess der fortwährenden funktionalen Differenzierung, der klare Gewissheiten systematisch unterlaufe, weshalb der Versuch, soziale Fragen durch einen simplen politischen Dualismus (rechts – links) zu lösen, immer schon zum Scheitern verurteilt sein müsse. Die Komplexität sozialer Systeme lasse sich zwar reduzieren, aber jeder Versuch, an jener bipolaren Organisation festzuhalten, müsse Paradoxien zur Folge haben, die das Steuerungsversprechen des Staates zunehmend in Frage stellten. Dieses Dilemma hat bereits Niklas Luhmann in der „Politischen Theorie im Wohlfahrtsstaat“ beschrieben und entsprechend die Unterscheidung von progressiv und konservativ als obsolet aufgespießt. Nassehi aktualisiert diesen Befund sozialer Differenzierung, indem er diese These der sozial „verteilten Intelligenz“ (113) anhand zahlreicher aktueller Kontroversen illustriert, die auch jedem Feuilletonleser nicht fremd sein dürften. En passant kommentiert der Autor die Folgen der digitalen Revolution, Debatten um Lann Hornscheidt oder die Kapitalismuskritik bei Thomas Piketty und Hartmut Rosa. Im Zentrum steht aber vor allem seine Absage an die ihm romantisierend erscheinende Kapitalismuskritik der Linken. Deren Rede von der umfassenden Ökonomisierung der Gesellschaft weist Nassehi als bloße Metapher zurück, eben weil so die beschleunigte soziale Dynamik nur unzureichend begriffen werde: „It’s society, stupid!“ Nichts anderes meint auch Nassehis Befund „links reden und rechts leben“. Diese Absage gegenüber der Linken kompensiert er durch ein im Anhang veröffentlichtes Interview mit dem Legida‑Aktivisten und Herausgeber der „Sezession“ Götz Kubitschek, um so „ziemlich deutlich die Sackgassen ‚rechten‘ Denkens“ (20) aufzuzeigen.