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Caroline von Gall

Die Konzepte "staatliche Einheit" und "einheitliche Macht" in der russischen Theorie von Staat und Recht. Der Einfluss des Gemeinschaftsideals auf die russische Verfassungsentwicklung

Berlin: Duncker & Humblot 2010 (Schriften zum Internationalen Recht 184); 431 S.; 88,- €; ISBN 978-3-428-13308-6
Rechtswiss. Diss. Köln; Gutachter: A. Nußberger, O. Depenheuer. – Wie ist die von Putin und der russischen Rechtswissenschaft erneut artikulierte Notwendigkeit, die staatliche Einheit unter den Vorzeichen einer einheitlichen Macht herzustellen und zu erhalten, mit der Grundentscheidung für Freiheit und Demokratie in der Verfassung in Einklang zu bringen? Die Autorin stellt eine Kernfrage zur Entwicklung Russlands und erarbeitet eine rechtstheoretische Analyse, an die politikwissenschaftliche Fragen anschließen können. Die Begriffe der staatlichen sowie der einheitlichen Macht identifiziert von Gall als zentrale Kategorien nicht nur der gegenwärtigen Rechtsdogmatik, der Rechtstheorie und der Rechtsphilosophie, sondern auch als tief in der russischen Geschichte verankert. Bis zurück in das Kiewer Großreich lässt sich die Vorstellung verfolgen, dass sich Einzelinteressen in das staatliche Gesamtinteresse einzuordnen haben und dass nur die staatliche Einheit für einen Frieden garantierenden Idealzustand bürgt. Diese Vorstellung überdauerte alle politischen Systeme, wie von Gall in einem ausführlichen historischen Teil zeigt, und hat sich in der gegenwärtigen Verfassung niedergeschlagen, die Präambel spricht von einer bereits vorkonstitutionell gewachsenen staatlichen Einheit. Ebenfalls in vorsowjetischer Zeit entstand die Vorstellung, dass Legitimation allein aus dem Willen des gesamten Volkes entsteht – diese Volkssouveränität spielte, in abgewandelter Form, auch in der Sowjetunion ihre Rolle. Ihren Ausdruck findet sie in der einheitlichen, zentralistischen Macht, in vorsowjetischer Zeit wurde von der Einheit von Volk und Zar ausgegangen. Nach Ansicht der Autorin existiert aufgrund dieses langlebigen Rechtdenkens im heutigen Russland immer noch die Vorstellung, dass der Pluralismus grundsätzlich im Widerspruch zur notwenigen Entwicklung des – stets in seiner Einheit als bedroht wahrgenommenen – Staates steht. So überlagern Ideen der vorsowjetischen Staatstheorie die „von der Verfassung angelegte Idee der Meinungs- und Gewaltenvielfalt“ (397).
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.62 | 2.21 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Caroline von Gall: Die Konzepte "staatliche Einheit" und "einheitliche Macht" in der russischen Theorie von Staat und Recht. Berlin: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/33197-die-konzepte-staatliche-einheit-und-einheitliche-macht-in-der-russischen-theorie-von-staat-und-recht_39685, veröffentlicht am 24.03.2011. Buch-Nr.: 39685 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken