Regionalistische, im Grenzfall separatistische Bewegungen und Parteien haben die Herausbildung des demokratischen Systems Indiens seit der Unabhängigkeit begleitet, erschwert und bedroht. Von der sozialwissenschaftlichen Indienforschung sind die regionalen politischen Kulturen und Parteientwicklungen jedoch lange Zeit vernachlässigt worden. Indem er die Entstehung, die Radikalisierung, die Popularisierung und am Ende die politische Einbindung des tamilischen Kulturnationalismus und Separatismus schildert, kann Rösel diese Lücke zumindest für eine dieser Bewegungen schließen. Es wird gezeigt, wie südindische Eliten (Honoratiorengruppen) einen Antibrahmanismus gegen die Congressbewegung politisch implementieren, wie eine separatistische Bewegung auf dieser Doktrin gegründet wird, die parallel zum Unabhängigkeitskampf die Lehre von der Befreiung der Tamilen vertritt und die Abspaltung von Nordindien einfordert. Schließlich demonstriert Rösel, wie seit der Unabhängigkeit neue politische Kräfte den tamilischen Nationalismus forcieren, gleichzeitig jedoch auch politisch ungefährlich machen. Parallel zum Wahlerfolg einer nach der Unabhängigkeit neu gegründeten Regionalpartei, die sich auf die Propagandamittel der Unterhaltungsindustrie stützt, wandelt sich der "Tamilnationalismus [...] in ein Unterhaltungsgenre und Filmrepertoire, und die gegen Nordindien, die Brahmanen und die Hindureligion gerichteten Thesen werden abgemildert und vergessen" (9).