Die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Präferenzbildungs- und Aushandlungsprozesse in der Europäischen Union (1990-2005)
Politikwiss. Habilitationsschrift Jena. – Wie lässt sich die Herausbildung der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) erklären? Der theoretische Ausgangspunkt zur Erklärung der Präferenzen und Aushandlungsprozesse ist der liberale Intergouvernementalismus, welcher um die Variablen der bilateralen und internationalen Einbettung der EU ergänzt wird. Kaim analysiert die Auswirkungen des strukturellen Wandels des internationalen Systems seit dem Ende des Ost-West-Konflikts, die Prozesse der gesellschaftlichen Präferenzbildung, die intergouvernementalen Aushandlungsprozesse und die transatlantischen Sicherheitsbeziehungen mittels drei qualitativer Länderstudien zu Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Mithilfe von zwölf Teilstudien sucht der Autor „nach denjenigen unabhängigen Variablen […], die die Präferenz- und Aushandlungsprozesse bezüglich der ESVP bestimmt haben“ (71). Im Ergebnis zeigt er, dass die strukturellen Veränderungen des internationalen Systems ein ausschlaggebender Erklärungsfaktor sind. Diese Veränderungen skizziert er jeweils auf der Makroebene der nationalen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Des Weiteren bieten die jeweiligen bilateralen Beziehungen zu den USA und deren erwartete zukünftige Bedeutung ein erhebliches Erklärungspotenzial. Ein Einfluss der gesellschaftlichen Präferenzbildung – welche einerseits anhand von Akteuren wie Parteien, Forschungsinstituten, der Rüstungsindustrie und andererseits anhand der politischen Kultur sowie der öffentlichen Meinung evaluiert wird – ist bis auf die außenpolitische Kultur nach Kaim nicht gegeben. Insgesamt steht der fundierten Deskription in den Länderstudien nur ein knapper theoretischer Analyserahmen gegenüber. Durchaus problematisch ist zudem die Definition der Präferenzen und Aushandlungsprozesse sowohl als abhängige als auch unabhängige Variable zu betrachten, wodurch die analytische Transparenz verloren geht. Eine tiefer gehende Bewertung der empirischen Daten wäre vor allem am Ende wünschenswert gewesen.