Die Europäische Integration als Elitenprozess. Das Ende eines Traums?
Der Schweizer Soziologe Haller widmet sich dem seit Langem bekannten Sachverhalt, dass die europäische Integration von Eliten vorangetrieben wird. Schuld an der Krise der EU sei die Kluft zwischen diesen Eliten und den Bürgern, die sich in unterschiedlichen Werten, Verhaltensweisen und auch Einkommensverhältnissen spiegele. Haller hat für seine Arbeit Interviews mit nationalen und europäischen Politikern und Beamten ebenso genutzt wie quantitative Daten u. a. des Eurobarometers sowie des International Social Survey Programme. Zudem hat er zahlreiche Dokumente einer Inhaltsanalyse unterzogen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Elitenstudien will er nicht nur deren Merkmale beschreiben und analysieren, sondern auch ihre Wirkung im institutionellen Kontext der EU untersuchen. Entsprechend facettenreich und breit angelegt ist sein Buch; trotzdem kommt Haller in jedem Kapitel auf seine zentrale These von der Abgehobenheit der EU-Eliten zurück. Die EU sei eine Interessen- und keine Wertegemeinschaft, ihre Entwicklung insbesondere durch eigennützige Motive der Akteure und weniger durch Globalisierungsprozesse oder der Suche nach dauerhaftem Frieden bestimmt. Am Ende plädiert er für eine Neuausrichtung der EU als sozialer Rechtsgemeinschaft, d. h. die EU solle nicht als Regierung handeln, sondern allgemeine Regeln formulieren, deren Umsetzung ausschließlich in den Mitgliedstaaten zu erfolgen habe. Seine kritische Distanz zur EU macht Haller kontinuierlich deutlich. Gegenläufige Positionen aus der akademischen Literatur würdigt er leider kaum. Seine Argumentation etwa zur Entwicklung der Ausgabenentwicklung der EU überzeugt nicht, da Haller dem Bedeutungszuwachs der EU zu wenig Rechnung trägt. So bietet das Buch Stoff für EU-Kritiker; eine ausgewogene Diskussion der Rolle europäischer Eliten stellt es nicht dar.