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Florian Lütticken

Die europäische Handelspolitik in GATT/WTO. Nationale Außenpolitiken und ihr Einfluss auf die Handelspolitik der Europäischen Kommission am Beispiel der Verhandlungen zur Uruguay-Runde

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2006 (Außenpolitik und Internationale Ordnung); 214 S.; brosch., 29,- €; ISBN 978-3-8329-1905-4
Politikwiss. Diss. Trier; Gutachter: H. W. Maull. – Obwohl die Außenhandelspolitik formal ein vergemeinschaftetes Politikfeld der Europäischen Union ist, üben die EU-Mitgliedstaaten faktisch einen erheblichen Einfluss aus. Dies demonstriert Lütticken am Beispiel der Verhandlungen, in denen das internationale Handelsabkommen GATT zur heutigen Welthandelsorganisation WTO weiterentwickelt wurde. In diesen Verhandlungen der sogenannten „Uruguay-Runde“ unterlag die Kommission weitgehender Kontrolle und Zustimmungsvorbehalte durch die EU-Mitgliedstaaten. Daraus leitet der Autor die Forderung ab, nationale Außenhandelspolitiken in der EU wissenschaftlich ernst zu nehmen. Das Hauptziel seiner Studie ist es, das empirische Wissen über nationale Außenhandelspolitik systematisch zu erweitern. Er analysiert das Verhalten Deutschlands, Spaniens und Frankreichs während der Uruguay-Runde zwar unter Rückgriff auf konkurrierende Außenpolitiktheorien, doch Primat hat das empirische Erkenntnisinteresse. Die rationalistischen Ansätze des Institutionalismus und des Intergouvernementalismus, die staatliches Verhalten aus materiellen (wirtschaftlichen) Interessen erklären, sind dabei laut Lütticken wenig hilfreich. Viele – aus rationalistischer Sicht – Anomalien in den Außenhandelsstrategien würden erst erklärbar, wenn der konstruktivistische „Identitätsansatz“ genutzt werde. Dieser betont die Bedeutung nationaler Diskurse und Identitätsvorstellungen für die Außenpolitik und bezieht damit die „Innenperspektive“ (178) von Staaten mit ein. Beispielsweise würde erst aus der pro-europäischen Identität Deutschlands heraus verständlich, weshalb die Bundesrepublik ihre Freihandelsziele aus Rücksicht auf Frankreich hintan stellte. Die Studie, die empirisch reichhaltig und sehr praxisbezogen ist, arbeitet klare nationale Verhaltensschemata heraus. Zuletzt weist der Autor noch darauf hin, dass viele der derzeit beklagten Krisenerscheinungen und Blockaden in der „Doha-Runde“ der WTO auch typisch für die Uruguay-Runde waren, die Welthandelsgespräche also noch nicht zum Scheitern verurteilt sind.
Tine Hanrieder (CTH)
M. A., wiss. Assistentin, Geschwister-Scholl-Institut, LMU München.
Rubrizierung: 3.6 | 4.21 | 4.22 | 2.61 | 3.7 | 4.43 | 4.3 Empfohlene Zitierweise: Tine Hanrieder, Rezension zu: Florian Lütticken: Die europäische Handelspolitik in GATT/WTO. Baden-Baden: 2006, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/21509-die-europaeische-handelspolitik-in-gattwto_30363, veröffentlicht am 25.06.2007. Buch-Nr.: 30363 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken