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Forschungsgruppe Staatsprojekt Europa (Hrsg.)

Die EU in der Krise. Zwischen autoritärem Etatismus und europäischem Frühling. Hrsg. im Auftrag der Assoziation für kritische Gesellschaftsforschung

Münster: Westfälisches Dampfboot 2012; 165 S.; 15,90 €; ISBN 978-3-89691-898-7
Nicht nur die europäischen Volkswirtschaften, auch die EU und ihr „Staatsprojekt“ sind in der Krise, lautet die These in diesem Sammelband. Unter „Staatsprojekt“ werden dabei Bestrebungen verstanden, „die immer kontingente und nie sichergestellte Kohärenz und Stabilität innerhalb des staatsapparativen Gefüges zu reproduzieren“ (20), also einem politischen Projekt Einheit zu verleihen, das eigentlich durch heterogene und fragmentierte Interessen und Diskurse gekennzeichnet ist. Die ökonomische Krise hat dabei zunächst zu zahlreichen Versuchen einer politischen Stärkung der EU geführt, wobei demokratische Belange oftmals in den Hintergrund gedrängt wurden. Die Herausgeber fahren hier in der Tat schwere Geschütze auf: „Der autoritär-neoliberale Umbau droht die Überreste liberaler und sozialer Demokratie in Europa abzuschaffen“, während die EU gleichzeitig nach außen als „Katalysator eines tödlichen Grenzregimes“ (7) funktioniere. Trotz solcher teilweise übermäßig aufgeladener Statements sind viele dieser Aspekte in der Tendenz und von der Sache her nicht zu leugnen. Vor diesem Hintergrund diskutieren die Autoren unterschiedliche Reaktionen der EU auf die politische und ökonomische Krise in verschiedenen Bereichen. Lukas Oberndorfer beispielsweise legt dar, wie die Europäische Kommission den Kontext der Wirtschaftskrise nutzt, um Austeritätspolitiken auch gegen den Widerstand von Bevölkerungen und Regierungen im Rahmen einer Economic Governance verschärft durchzusetzen. Anna Krämer diskutiert auf Grundlage postkolonialer Theorieansätze, warum Europa als „koloniales Gebilde“ (125) begriffen werden muss. Das europäische Selbstverständnis und damit der Integrationsprozess könne nicht ohne die vergangene und gegenwärtige koloniale Rolle – politisch wie ökonomisch – der europäischen Staaten verstanden werden. Allen Autorinnen und Autoren gelingt es in vielfacher Hinsicht, den dominierenden EU-Diskurs auf provozierende Weise zu hinterfragen, wobei die meisten ihrer Thesen theoretisch und empirisch solide unterfüttert werden. Damit eröffnen sie nicht nur alternative Sichtweisen auf europäische Politiken, sondern regen gleichsam zu Diskussionen an, die spätestens im Kontext der Finanz- und Wirtschaftskrise dringend geboten sind.
Björn Wagner (BW)
Dipl.-Politologe, Doktorand und Lehrbeauftragter, Universität Jena.
Rubrizierung: 3.12.222.232.61 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Forschungsgruppe Staatsprojekt Europa (Hrsg.): Die EU in der Krise. Münster: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35100-die-eu-in-der-krise_42246, veröffentlicht am 26.07.2012. Buch-Nr.: 42246 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken